Vietnams Legende

Der legendäre vietnamesische General Vo Nguyen Giap ist am Freitag im Alter von 102 Jahren gestorben. Das gab die kommunistische Regierung in Hanoi bekannt. Nach Angaben des Militärkrankenhauses, in dem Giap seit vier Jahren gelebt hatte, starb er an Altersschwäche.

Mit ihm verliert das südostasiatische Land einen Volkshelden, der ein ähnliches Ansehen wie der vietnamesische Übervater Ho Chi Minh genoss. Giaps Ruhm speist sich aus den militärischen Siegen über Frankreich und die USA. Der General galt als einer der weltweit brillantesten Militärstrategen des 20. Jahrhunderts. Er verstand sich sowohl auf Guerillakriegsführung gegen weit überlegene Gegner wie auch auf konventionelle Kriegsführung von Armeen.

Seine größte Stärke lag im Bereich der Logistik und Mobilisierung großer Bevölkerungsteile für den antikolonialen Befreiungskrieg. Es war die Schlacht von Dien Bien Phu 1954, die Giaps Ruf begründete. Die Eroberung der Dschungelfestung beendete Frankreichs Kolonialismus in Indochina und wurde zum Fanal für Befreiungsbewegungen in aller Welt.

Giap war der Sohn eines Lehrers aus der zentralen Provinz Qang Binh. Er hatte Politik, Wirtschaft und Jura studiert. Bald verhafteten ihn die Franzosen. Nach China geflohen, schloss sich Giap Ho Chi Minh an. Währenddessen starben seine erste Frau und sein Vater in französischer Haft. 1945 wurde Giap Innenminister in Nordvietnam, ab 1946 führte er die dortige Volksarmee.

Nach der Wiedervereinigung 1975 wurde Giap Vietnams erster Verteidigungsminister. Doch wurden ihm sein legendärer Ruf und Wunsch nach Versöhnung mit den USA zum Verhängnis. KP-Hardliner sahen ihn als nicht vertrauenswürdigen Rivalen an.

1982 wurde Giap entmachtet und war bis 1991 als Vize-Premier für Familienplanung, Wissenschaft und Technologie zuständig. Zugleich lehnte er es ab, orthodoxere Parteiführer zu einem Machtkampf herauszufordern. Trotzdem trat er wiederholt als Kritiker in Erscheinung und prangerte Korruption an. Noch als 98-Jähriger sprach er sich gegen ein von der Regierung befürwortetes chinesisches Projekt zum Bauxitabbau im zentralen Hochland aus. SVEN HANSEN