Herz und Verstand auf engstem Raum

WITZIG Über die Comicstrips von Elias Hauck und Dominik Bauer kann man nun auch unter der Woche lachen – „Man tut, was man kann: nix“

Als der folgende Cartoon erschien, war ich längst Fan: Bild 1: eine Puppe mit H&B-typischer Gurkennase, darüber Reklameblase, Inschrift: spricht nicht! Bild 2: isst nicht! Bild 3: riecht nicht! Und im vierten immer noch derselbe Homunkulus als Sitznachbar einer zufrieden schmökernden Reisenden. Überschrift: MITREISEPUPPE „BRUNO“ – jetzt in Ihrem Bahnshop! Monatelang trug ich den Ausriss mit mir herum, um ihn herumzuzeigen.

Zehn Jahre ist es her, dass mir ein Comicstrip mit dem Titel „Am Rande der Gesellschaft“ am Rande des Gesellschaftsteils der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung auffiel. Und dann jeden Sonntag wieder. Und das, obwohl als eingefleischter Verehrer der Hurzlmeiers, Kahls, Rattelschnecken, Rubinowitze et al. zutiefst verwöhnt.

Die bräsige Kulturkonsumentenhaltung, mit der ich die Kabinettstückchen von „H&B“ anfangs wahrnahm, gereicht mir nicht zur Ehre. Ab Mitte Vierzig gilt es ja zu haushalten mit dem Gutfinde-Budget. Der Kanon kommt nicht von ungefähr, und wer da noch reinwill, soll gefälligst sich anstrengen – und nicht mich. So lachte ich jeden Sonntag, ohne mal Neugier zu entwickeln, welche genialischen Köpfe überhaupt hinter jener schmucklosen Signatur stecken? Und noch ein Sonntag, und schon wieder gelacht.

Hierüber etwa: Bild 1: Gast zu Wirt: „Sag mal, gibt’s bei uns eigentlich Pinguine?“ Wirt zu Gast: „Haha, der Witz ist uralt.“ Bild 2: Gast zu Wirt: „Welcher Witz?“ Wirt zu Gast: „Sagt der Wirt: Nee, hier gibt’s keine Pinguine.“ Bild 3: Wirt zu Gast: „Sagt der Gast: Verdammt, dann hab ich gerade ’ne Nonne überfahren!“ Bild 4: Gast zu Wirt: „Verdammt, dann hab ich gerade ’ne Nonne überfahren!“ Verdammt, spätestens damit hatten sie die Bräsigkeit eines Kanonikers Scham gestraft: Elias Hauck und Dominik Bauer aus Alzenau in Unterfranken (beide Jahrgang 78).

Nun gibt es ihre FAS-Werke also als pointensatten Sammelband – unter dem Titel „Man tut, was man kann: nix.“ Kokett. Denn, wenn wer was kann, dann Hauck & Bauer. Der Strich lässig, doch detailverliebt; das Menschenbild süffisant, doch nie zynisch. So viel Herz und Verstand auf engstem Raum, in strengster Form! Nicht nur lustige Marginalien wie die obige, sondern oft stichhaltige, urkomische Allegorisierungen des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft. Um so nötiger – seit ihr Heimatressort neoliberal in Leben umgetauft wurde. Ach, allein die Kompositionen! Am liebsten sind mir jene Vierer, die so ingeniös mit Serialität spielen – wie folgender: Bild 1: Frau mit Brille am Telefon: „Ja.“. Bild 2: dito. Bild 3: dito. Bild 4: Frau mit Brille zu Kollegin: „Aufgelegt.“ Kollegin: „Du musst mehr Gefühl zeigen!“ Darunter das Schild Eros-Line 0190-66 66 66.

So weit, so witzig. Extra hingerissen aber ist, wer auf den zweiten Blick die Abweichung in Bild 2 entdeckt, wo die Augen der Frau (nichts als Punkte!), statt geradeaus wie in Bild 1 und 3, nach rechts unten schauen – befremdet? gelangweilt? angeekelt? Wen’s da nicht erneut im Zwerchfell kribbelt, muss zum Arzt.

FRANK SCHULZ

Hauck & Bauer: „Man tut, was man kann: nix.“ Kunstmann, München 2013, 152 Seiten, 14,95 Euro