Nun fallen die Apfelbäume

Zwischen Trauer, Ärger und Freude: Das Obstbauerndorf Neuenfelde an dem Tag, an dem die Airbus-Piste erneut verlängert wird. Der Ortsteil Rosengarten ist schon verwaist

Von Anna Nieweler

„Oha!“, lacht der Airbus-Fan, „ein Spatenstich mit Bagger und Raupe!“ Der 68-Jährige ist aus Stade gekommen, um dem Beginn der Bauarbeiten für die verlängerte Startbahn von Airbus in Neuenfelde beizuwohnen. 13 Jahre hat er für den Konzern gearbeitet, nun trägt er ein Käppi mit Airbus-Logo und ist sichtlich gut gelaunt. „Schön wär‘, wenn es hier was zu essen gäbe“, meint er.

Zwischen den Maschinen wird das Event vorbereitet, Flaggen werden gehisst, ein Mitarbeiter von Airbus führt ein Handygespräch: „Die Polizei ist vor Ort, aber es gibt noch keine Hinweise, dass irgendetwas geplant ist.“ Das stimmt. Kein Bewohner von Neuenfelde lässt sich an der Baustelle blicken.

Vom Neßdeich schaut man in den Rosengarten: Von den alten Höfen ist nichts mehr zu sehen, einige Bäume wurden gefällt. Die Toreinfahrt zu einem Gehöft ist noch vorhanden. In einem Baum hängen bunte Plastik-Ostereier, es sieht aus, als fehle auch hier das Haus. Beim letzten Hof im Rosengarten sind alle Fenster vernagelt, auch die Stalltüren. Auf dem Feld dahinter stehen noch die Apfelbäume Spalier. Bis vor kurzem stand am Ortseingang ein Schild mit einer Abbildung der neuen Landebahn, die bis an das Dorf herangeht, und der Aufschrift „Der Senat bedroht Neuenfelde in seiner Existenz.“

Neuenfelde liegt da wie ausgestorben. Kein Mensch ist auf der Straße. Im Hof des Gartenrestaurants Bundt repariert der Seniorwirt alte Stühle. „Man sieht nur noch abends ein, zwei Lichter da drüben“, meint er und deutet auf den vorderen Siedlungsteil des Dorfes. „Das ist eine Geisterstadt, viele sind schon weggezogen.“ Er hat Gäste von Airbus, aber „auf Deutsch gesagt“ findet Bundt den Bau der Landebahn „trotzdem scheiße“.

Er meint, dass noch mehr hinter dem Bauvorhaben stecke und es nicht dabei bleiben werde: „Das ist schon ein Banditenvolk.“ Während die Höfe im Rosengarten noch gekauft worden seien, wurde zu manchen Anwohnern im Ortskern gesagt, dass sie bald sowieso von allein gehen würden, erzählt der Weißbärtige in kariertem Hemd und Weste.

Auf der verlassenen Dorfstraße geht ein älterer Herr mit seinem dicken, alten Hund spazieren. Er hat selbst 40 Jahre bei Airbus gearbeitet und findet es gut, dass die Piste verlängert wird. „Es muss ja irgendwie Geld in die Kassen kommen.“ Die Leute, die so große Probleme mit der Startbahn hatten, seien ja schon weggezogen und hätten sich jetzt auch woanders neue Häuser gebaut, meint er. „Die haben ja eine saftige Entschädigung gekriegt – zum Teil.“ Wegziehen will er nicht, trotz des zu erwartenden Fluglärms.

Eine ältere Dame, die mit ihrer Tochter und deren Mann den Deich entlangspaziert, ist nach Neuenfelde zurückgekommen, um im Haus ihrer Eltern zu wohnen. Sie glaubt nicht, dass sie der Fluglärm stören wird. „Die Autos finde ich viel schlimmer. Man kann ja nicht mal morgens das Fenster aufmachen.“ Wegen einer Baustelle an der Hauptstraße wird der Verkehr an ihrem Haus vorbeigeleitet. Sie hofft, dass es besser wird, „wenn sie den Rosengarten zumachen“.

Bei der Eröffnung der Baustelle steht indes der Stader Airbus-Fan auf dem Deich, hat sich Reden angehört und vier Anzugträgern zugeschaut, die mit Spaten für die Fotografen posierten und sich danach die Schuhe abklopften. Mit seinem Regenschirm fuchtelnd stimmt er nun ein Lied an: „So ein Tag, so wunderschön wie heute ...“