die taz vor zehn jahren über die neue terrorismusbekämpfung der usa
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Nach allen Regeln der Politdramaturgie ist es eine gelungene Inszenierung: Am ersten Jahrestag des brutalsten Terroranschlags in der US-Geschichte wird im Kongreß ein Gesetz zur Terrorismusbekämpfung verabschiedet. Angehörige der Opfer des Attentates in Oklahoma City werden mediengerecht vorgeführt, um zu beteuern, daß dies nur im Sinne der Toten sein könne. Der Präsident klatscht Beifall und zückt den Stift zur Unterschrift. Es paßt alles wie die Faust aufs Auge. Wer dabei k. o. geht, interessiert derzeit kaum jemanden. Was Bill Clinton und der US-Kongreß als Schlag gegen den Terrorismus preisen, ist in Wirklichkeit ein doppelter Fußtritt gegen den Rechtsstaat. Der erste zielt auf Ausländer, die aufgrund des Verdachts auf „Unterstützung einer terroristischen Organisation“ abgeschoben werden können - oder gar nicht erst in die USA einreisen dürften. Nimmt man diese Definition wörtlich, müßten ein paar tausend Iren in Boston und Umgebung die Koffer packen, weil sie in den USA für die IRA Geld gesammelt haben.

Der zweite Tritt zielt auf ein zentrales Rechtsprinzip, wonach kein Urteil und schon gar kein Todesurteil Bestand haben darf, wenn die in der US-Verfassung garantierten Grundrechte des Verurteilten verletzt worden sind. Es ist schon schlimm genug, daß in den USA derzeit niemand willens ist, das verfassungsrechtliche Verbot „grausamer Bestrafung“ auf die Todesstrafe auszudehnen. Den Verurteilten nun auch noch den Schutz ihrer Grundrechte abzusprechen, ist Populismus der widerwärtigsten Sorte. Andrea Böhm, 19. 4. 1996