Tschad auf Konfrontationskurs

Nach der Drohung von Präsident Idriss Déby, 210.000 Darfur-Flüchtlinge aus dem Land zu werfen, bemühen sich die Vereinten Nationen um Entspannung

BERLIN taz ■ Nach der Abwehr einer Rebellenoffensive geht Tschads Regierung auf Konfrontationskurs. Präsident Idriss Déby drohte am Wochenende mit dem Rauswurf der 210.000 Flüchtlinge aus der benachbarten sudanesischen Kriegsregion Darfur sowie dem Stopp der Ölexporte aus seinem Land. Hintergrund ist die tschadische Überzeugung, dass Sudans Regierung hinter den Angriffen tschadischer Rebellen in der vergangenen Woche steckte. Zudem will Tschad die Herausgabe gesperrter Öleinnahmen erzwingen.

Die Vereinten Nationen relativierten gestern allerdings die Drohung: Die Zwangsrückführung der Flüchtlinge stehe derzeit nicht an. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Antonio Guterres, rief gestern die internationale Gemeinschaft zu einem verstärkten Einsatz auf.

Am vergangenen Donnerstag waren Rebellen der „Vereinigten Front für den Wandel“ (FUC), die Tschads Präsidenten stürzen wollen, nach einer Blitzoffensive quer durch den Tschad bis nach Ndjamena vorgedrungen und wurden erst bei schweren Gefechten in der Stadt gestoppt. Die Kämpfe forderten nach Regierungsangaben 400 Tote. Frankreich, das 1.350 Soldaten im Tschad stationiert hat und für Tschads Armee Luftaufklärung und -transport leistet, griff Rebellenstellungen an, wie Oppositionelle berichteten (taz vom Samstag). Die FUC wird von Sudan unterstützt, das Tschads Präsidenten der Sympathie für die Rebellen in Darfur verdächtigt. Diese kämpfen dort gegen ethnische Säuberungen und die Vertreibung von 2,5 Millionen Menschen durch Sudans Armee und regierungstreue Milizen.

Noch am Freitag brach Tschad seine diplomatischen Beziehungen zu Sudan ab und schloss die Grenzen zum Nachbarn, gefolgt von der Zentralafrikanischen Republik. Am Samstag forderte Déby, Darfur unter UN-Mandat zu stellen, und machte seinen sudanesischen Amtskollegen Omar el-Beshir persönlich für den „schrecklichen Völkermord“ in Darfur verantwortlich. Zugleich kündigte Tschads Regierung an, die 210.000 Darfur-Flüchtlinge im Osten nur bis Ende Juni zu dulden. Am Sonntag legte sie nach mit der Ankündigung, sie habe ihre Teilnahme an den Darfur-Friedensverhandlungen der Afrikanischen Union (AU) in Nigeria eingestellt.

An der ökonomischen Front zeigt sich Tschads Regierung ebenso hart. Ab heute will sie die Pipeline schließen, die Tschads Ölexporte über Kamerun auf die Weltmärkte bringt, erklärte Ölminister Mahamat Hassan Nasser. Nur wenn das Land 100 Millionen Dollar blockierter Öleinnahmen bekomme, werde man davon Abstand nehmen. Tschad exportiert täglich 160.000 Barrel Öl. Im Dezember 2005 hatte die tschadische Regierung die Vereinbarungen mit der Weltbank aufgekündigt, wonach 10 Prozent der Einnahmen in einen „Zukunftsfonds“ fließen. Daraufhin hatte die Weltbank im Januar Finanzzusagen für Tschad in Höhe von 124 Millionen Dollar suspendiert, den angehäuften „Zukunftsfonds“ gesperrt. Dieses Geld will Tschads Regierung ebenso wie 80 Millionen Dollar, die wegen des Streits vom Ölförderkonsortium unter Leitung des US-Multis Esso zurückgehalten worden sind. Tschad will das Geld zur Kriegführung.

Tschads Drohungen wirken befremdlich, war doch die internationale Gemeinschaft von der AU bis zum UN-Sicherheitsrat einhellig rhetorisch zu Débys Hilfe geeilt, als die Rebellen in Ndjamena standen. Im Tschad dauerten die Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen am Wochenende an, v. a. um die Stadt Adré im Osten und Sarh im Süden. DOMINIC JOHNSON