„Eine Katastrophe“

KLIMA Die Karibik würde eine Erderwärmung um zwei Grad kaum überleben, sagt Klimaexperte Ulric O’Donnell Trotz aus Belize

■ ist Vizedirektor und wissenschaftlicher Berater des Caribbean Community Climate Change Center in Belize. Der promovierte Chemiker stammt aus Guyana.

INTERVIEW BERNHARD PÖTTER

taz: Herr Trotz, der UN-Klimarat IPCC geht von einem Anstieg des Meeresspiegels um bis zu 90 Zentimeter bis 2100 aus. Was bedeutet dies für die Karibik?

Ulric O’Donnell Trotz: Eine komplette Katastrophe. In der Karibik liegen die Städte, Straßen, Krankenhäuser, Flughäfen und Hotels nah am Ufer. Guyana, Surinam und Belize wären besonders betroffen. In Guyana leben 90 Prozent der Bevölkerung auf Land, das 1,80 Meter unter dem Meeresspiegel liegt.

Beobachten Sie bereits Anzeichen des Klimawandels?

Bei Überschwemmungen mit intensivem Regen kann man heute in zwei oder drei Tagen so viel Niederschlag bekommen wie sonst in drei Monaten. Extreme Wetterlagen werden häufiger: längere Dürren, stärkerer Regen.

Was tun die karibischen Staaten, um sich zu schützen?

Sie können die Deiche erhöhen, aber das ist teuer. Surinam und Guyana können auf höher liegendes Land umsiedeln und ihre Landwirtschaft anpassen. All das kostet Geld. Es gibt Studien, nach denen manche Staaten im Jahr 2030 zwischen 20 und 30 Prozent ihres BIP für die Anpassung an den Klimawandel ausgeben müssen. Und das sind noch konservative Schätzungen.

Das ist sehr viel Geld.

Wir gelten als Staaten mit mittlerem Einkommen. Aber wir haben eine Menge Armut und eine besondere Verwundbarkeit, weil die Staaten so klein sind. Als letztes Jahr der Hurrikan „Ivan“ Grenada traf, waren alle betroffen: Das Haus des Premierministers wurde zerstört, und er musste auf einem englischen Kriegsschiff Schutz suchen. Ein ähnlicher Sturm traf Miami, gerade als die Republikaner ihren Parteitag abhielten. Aber dort ging das Leben weiter. Hurrikan „Ivan“ kostete etwa 200 Prozent von Grenadas BIP. Dazu kommt: Grenada lebt vom Export von Muskatnuss. Das ganze Anbaugebiet wurde vernichtet; es wird Jahre dauern, es wieder aufzubauen. In dieser Zeit verliert Grenada den Markt für Muskatnuss an Asien. Wir sind ohnehin anfällig, und der Klimawandel macht das noch schlimmer.

Die Inselstaaten drängen in den internationalen Verhandlungen seit langem auf eine Obergrenze von 1,5 Grad Erwärmung. Jetzt sagt das IPCC: Mit viel Mühe schaffen wir gerade so zwei Grad. Was heißt das für Sie?

Nur ein Grad mehr Wärme im Ozean bedeutet bereits, dass die meisten unserer Fischarten aus der Karibik in kältere Gewässer auswandern. Unsere Region bezieht aber 80 Prozent ihrer Proteine aus dem Meer. Stellen Sie sich vor, welchen Einfluss das auf unser Leben und unsere Gesundheit hat. Wir sehen auch, dass die Stürme mehr Niederschläge bringen. Das verursacht inzwischen manchmal mehr Schaden als der Wind. Wenn die Ozeane wärmer werden, leiden auch die Korallen, die jetzt schon bleichen. Wird das schlimmer, bleiben die Tauchtouristen aus, die ökonomisch sehr wichtig sind.

Wie stark leben Sie von den Touristen?

Auf manchen Inseln macht der Tourismus 60 bis 70 Prozent der Wirtschaftsleistung aus.

Die Touristen kommen aber mit dem Flugzeug. Das verstärkt den Klimawandel, der die Inseln bedroht.

Ja, das ist eine sehr schwierige Frage. Aber seien wir realistisch. Das Fliegen kann man nicht verhindern. Vielleicht sollten wir mit Europa verhandeln, einen Teil der Klimaabgaben auf den Flugverkehr für die Anpassung an den Klimawandel in armen Ländern zu verwenden.

Wie sieht die Karibik 2050 aus? Ist sie noch das Paradies, von dem viele Europäer träumen?

Wenn die Strände und die Kokosnüsse verschwinden, dann wird sich auch das Image ändern. Unsere Inseln sind eine wunderschöne Region, die wir gern so erhalten würden. Aber wir müssen eine neue Karibik planen.