Die Rache der Natur

AUSSTELLUNG Die großflächigen Projektionen der „Unwetter“-Ausstellung überzeugen durch ihre Bildgewalten. Allerdings fehlt den Arbeiten die Diskursivität

■ Die Video- und Soundinstallation „Unwetter“ ist Teil des Programms „Wiederkehr der Landschaft“ der Akademie der Künste, das sich mit dem Klimawandel auseinandersetzt. „Unwetter“ in der Akademie der Künste, Pariser Platz 4. Bis 20. Juni, dienstags bis sonntags, 11–20 Uhr.

■ Nächster Termin im Landschaftsreigen ist am Dienstag im Akademiehaus im Hanseatenweg 10. Dort stellt Peter Ablinger um 20 Uhr seine „Landschaftsoper“ vor. Info: www.adk.de

VON JULIA GWENDOLYN SCHNEIDER

Mit gemächlicher Beharrlichkeit schiebt sich ein meterhoher Eisbrecher durch die zugefrorene See vor der finnischen Küste. Eine menschliche Silhouette läuft vor dem mächtigen Riesen und dem aufbrechenden Eis her, als wäre es das Normalste auf der Welt.

Der Boden wird zu Wasser

Die schaurig-schöne Erhabenheit von Guido van der Werves waghalsiger Performance zieht als zentral positionierte Großprojektion die Aufmerksamkeit der Besucher der Ausstellung „Unwetter“ in der Akademie der Künste (AdK) sofort auf sich. Die Ausstellungssituation folgt allerdings keiner kontemplativen Inszenierung des Einzelkunstwerks. Sie lässt den Blick unweigerlich schnell abschweifen. Die 12 ausgewählten Arbeiten internationaler Künstler und Künstlerinnen werden als Teil eines gesamträumlichen Szenarios gezeigt. Großformatige Videoprojektionen flankieren die hohen Betonwände wie in einer Petersburger Hängung, teils fast bis unter die Decke. Auch vor dem Boden wird nicht haltgemacht. Gegen die Hochwasserfluten des Río Paraná schwimmt Laura Glusman dort machtlos an. „Nado y Nada“ lässt so die unendliche, aber auch feindliche Kraft der Natur direkt vor unseren Füßen sichtbar werden.

Alfons Hugs kuratorischer Schritt vereint die akustischen und visuellen Sinneseindrücke der Einzelwerke zu einer ungewöhnlich miteinander verwobenen Gesamtsituation. Einem Unwetter gleich wird die Black Box im Untergeschoss der AdK von Tosen und Brausen durchzogen und mit visuellen Eindrücken überflutet, die sich mit der Beziehung zwischen Mensch und Umwelt auseinandersetzen.

Allerdings verharren die Arbeiten durch die gewählte Präsentationsform stark auf der Ebene der Bildlichkeit. Es werden Bezüge aufgrund von bildthematischen Ähnlichkeiten generiert, aber kaum eine Diskursivität erzeugt. Marcellvs L. hat seine Kamera während eines heftigen Sturms an der niederländischen Küste bei Den Haag an einer Brücke befestigt. Die verwischte Filmaufnahme sieht aus wie Casper David Friedrichs „Mönch am Meer“ – nunmehr als bewegtes Bild statt auf der starren Leinwand. Windböen peitschen die Sturmflut gegen die Felsküste, und vor der wackelnden Kamera befindet sich ein Mensch. Der begegnet dem überwältigend Naturschauspiel fast so andächtig wie Friedrichs Mönch.

Tatsächlich aber wird die meditative Stimmung durch den realen Sturm gestört. Die Kamera droht wegzukippen, und das Mikrofon ist vollkommen überlastet. Die Naturgewalt lädt kaum noch zur Andacht ein.

In der Ruhe liegt die Kraft

Es werden Bezüge aufgrund von bildthematischen Ähnlichkeiten generiert, aber keine Diskursivität erzeugt

Wie destruktiv die Menschheit sich gegenüber ihrer Umwelt verhalten kann, zeigen die unaufgeregten und doch eindringlichen Bilder von George Osodi. Wer die Verursacher der Umweltzerstörung und der menschenunwürdigen Ölgewinnung im Nigerdelta sind, legen sie zweifellos offen. In den 1950er-Jahren wurde dort Öl entdeckt, woraufhin sich eine mächtige multinationale Ölindustrie entwickelte. Die Bevölkerung ist hingegen mit den negativen Auswirkungen konfrontiert. Sie kennt nur die Nachteile, wie die Gesundheitsrisiken, die Zerstörung der traditionellen Landwirtschaft und der Fischerei. Keine andere Arbeit der Schau verdeutlicht den anthropogenen Klimawandel so explizit.

Alfons geht es bei „Unwetter“ tatsächlich mehr um eine neue Ästhetik des Wetters denn um politisch motivierte Kunst zum Klimawandel. Mit einem ehrfürchtigen Blick auf die Natur sind viele Arbeiten künstlerische Bestandsaufnahmen, die fast so etwas wie poetische Gegenpole zu den Horrorszenarien des Klimawandels liefern. Im besten Fall lässt sich so eine zarte Kritik gegenüber den veränderten umweltpolitischen Verhältnissen einnehmen.

Agnes Meyer-Brandis dokumentiert mit speziellen Scannern die unterirdischen Formationen der vor dem Verschwinden bedrohten Gletscher in Südpatagonien. Simone Faithfull zeigt, wie sich Seelöwen eine ehemalige Walfangstation wieder angeeignet haben – einem der Sinnbilder des brutalen Ressourcenverbrauchs früherer Zeiten. Wenn Thomas Mulcaires Videodokumentation die gewaltigen Eisbewegungen der Antarktis zu einem Bild puristischer Ursprünglichkeit erhebt, kann der poetische Ansatz aber auch schnell verklärend wirken.