Versteckspiel mit der Gefahr

IN SIMBABWE KANN ALLEIN DIE TATSACHE, DASS MAN ALS JOURNALIST ARBEITET, EIN VERGEHEN SEIN

VON ITAI MUSHEKWE (SIMBABWE)

Meine Mutter war absolut dagegen, dass ich Journalist werden wollte. Sie hatte eine ganze Reihe von Gründen dafür, und einer davon war, dass man mit Schreiben nicht reich werden könne. Aber ihre Hauptsorge war, dass sie um mein Leben fürchtete. Sie warnte mich davor, dass dieser Beruf mir einige brutale Feinde einbringen werde – Feinde, die an den Schalthebeln der Macht säßen. Es sei es nicht wert, zu sterben, bloß weil man die Wahrheit ans Licht bringen wolle.

Sie hatte Recht, doch meine Überzeugung, dass das Gute immer über das Schlechte triumphiert, hat bei mir zu Prinzipien geführt, die ich nicht aufgeben kann, und so blieb mir nichts anderes übrig, als mit der Gefahr Versteck zu spielen.

In Simbabwe kann allein die Tatsache, dass man als Journalist arbeitet, ein Vergehen sein. So gab es einen Kollegen, den die Polizei wegen des Verbrechens „Journalismus zu praktizieren“ verhaftete, eine Anklage, die sie für sinnvoll hielten, denn das Land war ein Schurkenstaat, und es ist jetzt unter Präsident Robert Mugabe auf dem Weg, wieder ins Chaos zurückzufallen, nachdem die vierjährige Einheitsregierung gemeinsam mit der Opposition vor einem Monat beendet wurde.

Mugabes Wiederwahl bedroht Presse und Journalisten

Mugabe, mit 89 Jahren der älteste afrikanische Herrscher, hat gerade eine manipulierte Wahl gewonnen, die ihm möglicherweise weitere zehn Jahre im Amt sichert – bis er 99 Jahre ist. Dieser Fluch bedroht Presse und Journalisten mit Konsequenzen, die weit über das hinausreichen, was ich in meiner kurzen Karriere im Land erlebte, bevor ich 2007 nach Deutschland ins Exil ging.

Das Leben war nicht leicht, und jeder Tag bedeutete eine Herausforderung. Ich arbeitete für eine populäre Wochenzeitung, den Zimbabwe Independent, wo ich mit 22 Jahren der jüngste politische Reporter wurde, nachdem ich meine Karriere als Reporter im Kunst- und Unterhaltungsbereich begonnen hatte.

Die Regierung verfügt über viele Waffen gegen uns. Zu den wichtigsten gehören eine Reihe drakonischer Pressegesetze, die Journalisten die Arbeit erschweren. Dazu gehören das Gesetz über den Zugang zu Informationen und den Schutz der Privatsphäre, das Gesetz zur öffentlichen Ordnung und Sicherheit und das tödliche Gesetz über Staatsgeheimnisse, das 1970 noch unter der britischen Kolonialherrschaft verabschiedet wurde, doch bis heute unverändert gilt.

Der Staat setzte auch seine gefürchteten Geheimdienstagenten von der sogenannten Central Intelligence Organisation ein, die als Computertechniker getarnt sogar die privaten Zeitungen infiltrierten, um mithilfe einer ausgeklügelten chinesischen Spyware unsere Rechner zu verwanzen. Ich beschloss, nur noch öffentliche Telefone zu benutzen, denn einige unserer Handys wurden abgehört, was bedeutete, dass die Regierung schon vorher wusste, an welcher Geschichte und mit welchen Quellen man arbeitete, und deshalb präventiv Verhaftungen durchführen konnte. Journalisten wurden für das System eine so große Bedrohung, dass der Geheimdienst sie in der Zeit vor den Präsidentschaftswahlen 2008 zum Zwecke der Überwachung und Kontrolle schamlos auf eine schwarze Liste setzte. Unglücklicherweise war ich einer der Journalisten auf dieser schwarzen Liste und entkam nur um Haaresbreite, weil ich in Berlin einen Medienfortbildungskurs besuchte.

Das Hauptbüro von Reporter ohne Grenzen in Paris erfuhr davon und protestierte energisch gegen die Versuche der Regierung Mugabe, Journalisten der unabhängigen Presse einzuschüchtern und mundtot zu machen. Die deutsche Sektion dieser Wächter über die Pressefreiheit rettete mich dann, indem sie mich warnte, mir bei der Visabeschaffung half und mich auch finanziell unterstützte. So konnte ich in Deutschland bleiben und dem Unheil in Simbabwe entgehen.

Viele Journalisten haben ihr Leben aufgrund ihres Mutes im Kampf gegen das Böse verloren. Eines meiner Vorbilder ist Anna Stepanowa Politkowskaja, die tapfere russische Journalistin, die im Oktober 2006 im Fahrstuhl ihres Hauses erschossen wurde. Und ein anderer junger amerikanischer Journalist, dessen Arbeit ich mit großem Interesse verfolgt hatte, Michael Mahon Hastings, starb im Juni bei einem Autounfall, dessen Hintergrund zu Verdächtigungen Anlass gab. In Simbabwe wurde 2007 Edward Chikomba, ein erfahrener Kameramann des staatlichen Senders, brutal ermordet. Chikomba musste ausgeschaltet werden, weil er weltweit Material verbreitet hatte, das zeigte, wie Simbabwes früherer Premierminister Morgan Tsvangirai wegen der Teilnahme an einem Gebets-Protestmarsch fast zu Tode geprügelt wurde.

Soll ich gehen oder in diesem gefährlichen Job bleiben? Das ist die Frage, die sich mir immer wieder stellt.

■ Der Autor: Itai Mushekwe, geboren 1983 in Simbabwe, ist ein investigativer Journalist, der für die führende Wochenzeitung The Zimbabwe Independent arbeitete und auch für internationale Medien schrieb. 2007 ging er ins Exil nach Deutschland. Ein Jahr später wurde er mit dem Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit geehrt. Momentan arbeitet er an seinem ersten Buch: „Liebes Deutschland: Die Polonium-Teeparty“ Übersetzung: Thomas Pampuch