Italien ist zweigeteilt

Nach der Wahl ist das Land gespalten. In Senat und Abgeordnetenhaus stehen sich zwei fast gleich starke Blöcke gegenüber. Vor allem im Senat könnte künftig jede Abstimmung zur Hängepartie werden

ROM taz ■ Um 15 Uhr schlossen am Montag die Wahllokale, und in Echtzeit gab es auf allen TV-Kanälen Resultate, wie sie eindeutiger nicht hätten ausfallen können. Prodi lag bei den Exit-Polls mit 50–54 Prozent klar vorn, Berlusconi dagegen war mit 5 Prozentpunkten weniger deutlich abgeschlagen. Der Wahlauszählungsnachmittag versprach eine schnelle Sache zu werden. Massimo D’Alema, Präsident der Linksdemokraten, sprach schon von einem „historischen Wahlsieg“, und Prodi selbst kündigte an, er werde um 18.30 Uhr, nach der ersten Hochrechnung, zu seinen Anhängern sprechen – sprich den Wahlsieg feiern.

Die Hochrechnung kam – und die Feier fiel erst mal aus. Stattdessen begann eine heftige Diskussion über das Versagen der Meinungsforscher. Die ultimative Antwort hatte wohl Schatzminister Giulio Tremonti, der offenbar seine Wähler gut kennt: „Wer schon bei der Steuererklärung schwindelt, gibt doch auch keine ehrliche Auskunft über sein Wahlverhalten.“ Zugleich wurde ein nervenaufreibender Wahlkrimi geboten. Prodi mit 50 zu 49 vorn, um 20 Uhr dann Prodi auf einmal im Senat hinten. Den ganzen Abend schien es plötzlich so, als könne die Rechte gar die Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments gewinnen.

Zum Schluss aber, um halb drei nachts, konnte dann doch Prodi feiern. Es waren nur 25.244 Stimmen, die ihn in Siegeslaune versetzten: Im Abgeordnetenhaus hatte sein Bündnis, die „Unione“, nach Auszählung aller Stimmen mit 49,8 Prozent einen hauchdünnen Vorsprung vor Silvio Berlusconis Koalition „Haus der Freiheiten“, die auf 49,73 Prozent kam. Dennoch kann Prodi wenigstens in dieser Kammer auf eine satte Mehrheit rechnen. Das von der scheidenden Regierung erst kurz vor Weihnachten geänderte Wahlrecht sieht nämlich einerseits die Proporzwahl nach Parteilisten vor. Andererseits aber spricht es der siegreichen Koalition einen satten Mehrheitsbonus zu: Sie erhält automatisch 340 der 630 Sitze.

Anders im Senat: Dort wird der Mehrheitsbonus Region für Region vergeben – und dort ergab sich ein Vorsprung der Rechten mit 155 zu 154 Senatoren. Schon trumpfte das Berlusconi-Lager auf und sprach von unbedingt notwendigen Neuwahlen. Doch in dem Hohen Haus des italienischen Parlaments sitzen auch sieben Senatoren auf Lebenszeit – zwei ehemalige Staatspräsidenten und fünf vom jetzigen Staatspräsidenten Ernannte; vier von ihnen sympathisieren klar mit Prodi. Wichtiger noch war, dass auch die Auslandsitaliener sechs Senatoren wählen konnten. Nach der Auszählung stand fest, dass die Emigranten gleich vier der Sitze Prodi hatten zufallen lassen – und der hat nun auch im zweiten Haus eine knappe Mehrheit.

Die braucht er auch: Abgesehen vom unterschiedlichen Wahlmodus – beim Senat dürfen die Italiener erst ab 25 mitwählen – haben die beiden Häuser völlig deckungsgleiche Aufgaben. Jede Regierung braucht das Vertrauen sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Senat, und ausnahmslos jedes Gesetz muss durch beide Kammern. Kein Problem für Prodi im Abgeordnetenhaus –doch im Senat wird jede Abstimmung zur Hängepartie werden. MB