München ist kein B-Gegner

Der FC St. Pauli will im Halbfinale des DFB-Pokals gegen den Titelverteidiger FC Bayern noch einmal ein Highlight feiern – vor einer weiteren grauen Saison in den Niederungen der Regionalliga Nord

AUS HAMBURG OKE GÖTTLICH

Auch Schalke 04 wird beim Halbfinale des DFB-Pokal teilnehmen – trotz des 0:6 gegen Frankfurt in der zweiten Runde. Der ehemalige Schalker Stadionsprecher Dirk Oberschulte-Beckmann hat sich für 1.690 Euro den Posten als Nummernboy für das Spiel zwischen dem FC St. Pauli und Bayern München (20.30 Uhr, ARD) ersteigert. Dafür wird er die manuelle Anzeigetafel im Millerntor-Stadion bedienen und den exponierten Platz dazu nutzen, per T-Shirt auszudrücken, welchem Team er die Tafel mit der höheren Zahl wünscht: „Lieber vier Minuten Meister als eine Sekunde Bayern-Fan.“ Mit Aktionen wie der Versteigerung sorgt sich St. Pauli seit Jahren um seine Existenz oder sammelt wie in diesem Fall Geld für die Jugendabteilung, die im aktuellen Etat zwangsweise vernachlässigt wird.

Tatsächlich war dies wohl eine der letzten Gelegenheiten, sich noch einen Platz für das Spiel zu sichern. Gerade einmal 20.000 Leute passen in das morsche Millerntor – zu wenig, um nach Verteilung an Sponsoren, den DFB, die Bayern-Fans, VIPs wie Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust und den angekündigten Vizekanzler Franz Müntefering sowie den Dauerkarteninhabern allen Vereinsmitgliedern eine Karte zum Kauf anbieten zu können. So kommt es dazu, dass Mitglieder der Schachabteilung den größten Erfolg der Vereinsgeschichte im Stadion erleben können, während Mitglieder der Fußballabteilung draußen bleiben müssen.

Das würden die Bayern wohl auch gern. Weniger der Fans und Atmosphäre wegen, wohl aber aufgrund des morastartigen Geläufs, welches den Eindruck erweckt, als ob der Platzwart vor Monaten entlassen wurde. Bayerns Co-Trainer Seppo Eichkorn – selbst sieben Jahre als Trainer am Millerntor tätig – schlug seinem Chef Felix Magath vorsorglich vor, sich auf dem Acker der Sportfreunde München vorzubereiten. Die betreiben ihren Platz neben der Trainingsanlage des FC Bayern. „Ich freue mich auf die Fans und die einmalige Atmosphäre. Gleiches sollten unsere Spieler tun. Sie werden mit Spaß auf den Platz laufen“, hört sich Eichkorn im Interview mit dem Hamburger Abendblatt ein wenig gezwungen an, seinen Stars die Komfortlosigkeit schmackhaft zu machen. Und genüsslich rechnet die Hamburger Morgenpost die Kabinentrakte der beiden Kontrahenten gegeneinander. 314 Quadratmeter beträgt die Größe der bayerischen Kabinenlandschaft. Am Millerntor müssen sich die „Millionäre in roten Trikots“, wie St. Paulis Mittelfeldspieler Fabian Boll die Bayern nennt, mit insgesamt 68 Quadratmetern begnügen.

Zahlenspiele interessieren St.-Pauli-Trainer Andreas Bergmann derzeit ohnehin weniger. Seit dem Wochenende und einer 1:0-Niederlage in Jena hat sein Team nur noch rechnerische Chancen auf einen Aufstieg in die zweite Liga. Da kommt das Pokalereignis gerade recht. „So haben wir gar nicht lange Zeit rumzuheulen.“ Was bei dem Saisonverlauf auch gar nicht nötig ist. Zwar wurde der von allen priorisierte und finanziell nötige Aufstieg in den Profifußball vom Pokalerfolg in den Schatten gerückt, dennoch „ist ein Halbfinale im DFB-Pokal der größte Erfolg der Vereinsgeschichte, den ein Großteil von uns nie wieder erleben wird“. Aus qualitativ selten konstanten Spielern hat Bergmann ein Team geformt, das mit Leidenschaft die Fans zurückerobern konnte und den unerwartet verdienten Pokalsiegen gegen Burghausen (3:2 n.V.), Bochum (4:0), Berlin (4:3 n.V.) und Bremen (3:1) Höhepunkte setzen konnte. „Wir haben nicht nur Glück gehabt, sondern diese unglaubliche B-Serie erarbeitet.“ So überlegt Bergmann zwar noch, ob er mit einem oder zwei defensiven Mittelfeldspielern agieren soll, doch wenn er seine Spieler mit der Einstellung auf den Platz schickt, „das Ding auch gewinnen zu wollen“, wird er sich wohl für die offensivere Variante entscheiden müssen. Von den Fans erhofft er sich, dass „jeder Ball, den wir treffen, bejubelt wird. Denn gewonnen haben wir ohnehin schon, weil wir unter den letzten vier stehen.“

Auch Millerntor-Kenner und Co-Bayer Eichkorn senkt die Hoffnung, dass St. Paulis Fans auch am Spielende jubeln werden: „Noch heißt es München und nicht Bünchen“, sagt er ob St. Paulis eindrucksvoller Serie gegen B-Gegner.