Der Zoo der armen Schweine

Der Tierpark Lübeck-Israelsdorf will zwei Tigerinnen aus Frankreich vor der Giftspritze retten. Tierschützer kämpfen dagegen, weil der Park angeblich Tiere verwahrlosen lässt

von Anna Nieweler

Ein mit Filzstift geschriebenes Kärtchen steht im Fenster der Pförtnerloge: „Gezahlt wird im Park.“ Es lohnt sich nicht für drei Gäste am Tag, an der Kasse zu sitzen. Wenn das Wetter besser wird und zwei Tiger in den Lübecker Tierpark einziehen, werden die Besucherzahlen sicher steigen. Den beiden sechsjährigen Tigermädchen aus einem französischen Zirkus drohte die Todesspritze. Sie waren aus Tierschutzgründen von den Behörden beschlagnahmt worden. Die Stiftung der französischen Schauspielerin Brigitte Bardot rettete die Tiere vorerst, konnte sie aber nur notdürftig unterbringen. Ein Tigerschutzverein aus dem holsteinischen Neumünster vermittelte die beiden nun nach Lübeck.

Dagegen protestiert die „Bürgerinitiative gegen den Tierpark Lübeck-Israelsdorf“. Die Tierschützer behaupten, es gebe seit dem Jahr 2000 ein behördliches Neubelegungsverbot für Wildtiere, weil sich der Tierpark in schlechtem Zustand befinde. Das lässt sich allerdings nicht erhärten. „Ich weiß nicht, ob die Bürgerinitiative da differenzieren kann“, sagt Andreas Müller-Buder vom Veterinäramt der Stadt Lübeck vorsichtig. Es gebe lediglich einen „Genehmigungsvorbehalt“. Die Stadt Lübeck und das Kieler Ministerium für Landwirtschaft müssen zustimmen, wenn Wölfe, Löwen oder eben Tiger aufgenommen werden sollen. Seit 2000 habe sich einiges verbessert und deswegen dürften die französischen Tiger kommen. Ihr Aufenthalt ist allerdings nur eine Zwischenlösung, die Genehmigung auf ein Jahr befristet.

Der Tierpark stehe unter finanziellem Druck, behauptet Ursula Müller aus dem harten Kern der Bürgerinitiative gegen den Tierpark. „Den anderen Tieren geht es jetzt schon nicht gut.“ Seit zwei Jahren schon sei das von drei Vögeln bewohnte Uhu-Gehege eingefallen. Offensichtlich fehle das Geld für ein paar Dachlatten und Maschendraht. Wenn jetzt noch zwei Großkatzen hinzukommen, befürchtet die engagierte Tierschützerin Schlimmeres. Seit über einem Jahr hält sie jedes Wochenende Mahnwachen vor dem kleinen Zoo in Lübeck-Israelsdorf ab.

Wie, fragen sich die Mitglieder der Bürgerinitiative, soll Parkbesitzer Günter Lehmensiek nun über 10.000 Euro jährlich für die Tiger aufbringen? Sie haben Fotos von Ziegen mit ungepflegten Hufen und von einem einsamen Hängebauchschwein mit verklebten Augen. Aber inzwischen wird der Uhu-Käfig repariert, die Ziegen haben gesunde Hufe, die Stachelschweine – anders als auf Ursula Müllers Bildern – eine Strohunterlage.

Ein paar verschlagen aussehende, struppige Katzen mit misstrauischem Blick und Knautschgesicht stromern über das Gelände, eine hat es sich im Außenbereich des Affenhauses gemütlich gemacht. Den Schimpansen hingegen ist es draußen noch zu kalt. Sie sind drinnen, aber die Fenster sind mit Folien verklebt, so dass wenig Licht reinfällt. „Warum klebt man etwas zu? Damit man nicht sieht, was drinnen vorgeht!“, ist die Tierrechtlerin fest überzeugt. Sie glaubt, die Affen seien aufgrund ihrer Schaustellervergangenheit schwer verhaltensgestört. Der Zoo besitzt auch noch einen pensionierten Zirkusleoparden ohne Schwanz und einen alten Bären, der ebenfalls eine Manegenvergangenheit hat.

Fragt man Tierparkbesitzer Lehmensiek, der den Zoo seit 1976 leitet, antwortet er ohne viele Worte zu machen. Nein, der Tierpark habe keine finanziellen Schwierigkeiten. Dass die Ziegenhufe im Winter lang werden, könne schon mal sein, weil sie sich im Stall nicht abwetzen ließen. Aber zum Frühjahr werde alles in Ordnung gebracht. Mit Tigern hat Lehmensiek auch Erfahrung: Sein letzter starb hochbetagt mit 24 Jahren.

Die Bürgerinitiative will, dass der Tierpark geschlossen wird: „Wegen mir braucht es keinen Tierpark zu geben“, meint Müller. Sie redet sich in Rage, seufzt dann: „Man denkt immer, man hält einen Kopf über Wasser und kann jemanden retten.“ Sie meint die vermeintlich ungepflegten Parkinsassen. Damit die Tigermädchen nicht sterben müssen, hat die BI schon zwei Alternativunterkünfte für sie aufgetan. Dort müsste Brigitte Bardot allerdings für die Pflege der Tiere zahlen – Lehmensiek nimmt sie für lau.