Italia wird wieder bella

Das Ende der Ära Silvio Berlusconi: Am Ende wurde die Kampagne des Ministerpräsidenten zur Karikatur früherer Triumphzüge

ROM taz ■ „Berlusconi ist eine Krankheit, die nur per Impfung zu bekämpfen ist, mit einer ordentlichen Dosis Berlusconi im Amt des Ministerpräsidenten. Erst danach werden wir immun sein.“ Indro Montanelli, Nestor des italienischen Journalismus, wagte im März 2001, kurz vor seinem Tod – und kurz vor Berlusconis damaligem triumphalen Wahlsieg – diese Prophezeiung, die sich gestern bewahrheitete.

Und Montanelli nannte auch die Natur der Krankheit. „Er ist der aufrichtigste Lügner, den es gibt. Er ist der erste, der an seine Lügen glaubt, das macht ihn so gefährlich. Berlusconi ist die größte Vertreterseele auf der Welt. Wenn er sich einmal entschließen sollte, Nachttöpfe zu produzieren, würde er dafür sorgen, dass ganz Italien eine unwiderstehliche Lust zum Pinkeln überkommt.“

Die Krankheit Berlusconi dauerte akkurat zwölf Jahre. 1994 entschloss sich der Medienunternehmer zum Schritt in die Politik – und schaffte es aus dem Stand, sich als „neu“, als totales Gegenbild zu den alten „Politikastern“ zu verkaufen. Statt „Geschwafel“ sollte es unter ihm „Taten“ geben, sollte ein neues italienisches Wunder anbrechen.

Die Umrisse dieses Wunders, das Berlusconi bis zum Wahlkampf 2006 immer wieder versprach, sind schnell genannt. Einerseits werde er den Staat in die „Azienda Italia“, in die „Firma Italien“ umbauen und endlich mit unternehmerischer Effizienz führen, stellte er in Aussicht. Und andererseits war da die Verheißung, der Staat werde sich kleiner machen, den Bürgern immer weniger in den Geldbeutel greifen.

Eigentlich nämlich ist und bleibt der Staat in Berlusconis Augen eine Räuberbande. Selten hat man in Westeuropa einen Regierungschef gesehen, der treuherzig erklärte, wer mehr als ein Drittel seines Einkommens an Steuern zahle, sei gegen diesen „Diebstahl“ moralisch zur Steuerhinterziehung berechtigt. Das klingt neoliberal, war aber vor allem der schlaue populistische Appell an eine in Italien tief sitzende rechts-anarchoide Haltung, die mit dem Wort Gemeinwohl nichts anzufangen weiß. Das Versprechen an die besser Verdienenden, ihre Steuern massiv zu senken, ergänzte Berlusconi immer wieder durch ebenso kühne Verheißungen für die Habenichtse, denen er „Millionen neue Arbeitsplätze“ und die Erhöhung der Mindestrenten in Aussicht stellte.

Dass er derweil seine eigenen Interessen mit neuen Justiz- und Mediengesetzen kräftig bediente – seine Wähler hätten es ihm wohl verziehen. Doch Steuern und Abgaben sanken in den letzten fünf Jahren bloß von 41,3 auf 40,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die meisten Rentner gingen bei der Rentenerhöhung leer aus, und statt Wirtschaftswunder gab es Stagnation. Berlusconi ließ sich davon nicht beirren und setzte auch in diesem Wahlkampf wieder auf alte Versprechen. Er selbst wirkte nun aber wie eine Vertreterseele, die den eigenen Lügen nicht mehr glaubt. Am Ende wurde seine Kampagne zur Karikatur früherer Triumphzüge. Erst stellte er die Abschaffung der Grundsteuer in Aussicht, dann sattelte er am letzten Wahlkampftag noch drauf und versprach gar die totale Streichung der Müllabfuhrgebühren. Doch geimpft durch fünf Jahre Berlusconi, ließen sich die Wähler auch von diesem Taschengeld nun nicht mehr locken. MB