„Generation Münzfernsprecher“

PETITION Die Länder wollen den Jugendschutz novellieren. Eine Beschwerde sieht darin Zensur und erfährt viel Unterstützung – aber nicht von den Parteien

Der Bild gilt dieser Petent einfach als „Erotik-Millionär“: Tobias Huch, 28, kommt aus Mainz und ist Unternehmer in der Erotik- und Musikbranche. Er betreibt unter anderem auch das Altersprüfsystem „ueber18.de“. Bundesweit bekannt wurde er im Herbst 2008, als er einen Datenskandal bei der Deutschen Telekom aufdeckte. 2000 hackte er sich durch eine Sicherheitslücke beim Bundesjustizministerium ein und vermeldete dies der Öffentlichkeit. Sein Großvater Franz Huch (1909-2006) war der erste Verwaltungsdirektor des ZDF. (mnz)

Es ist bisher eine der erfolgreichsten der zu Jahresbeginn eingeführten Online-Petitionen. Dabei ist weder Petent Tobias Huch noch sein Thema bremisch. Vielmehr ist seine Beschwerde gegen den Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) und für die Freiheit des Internets Teil einer bundesweiten Kampagne: Die Petition wurde zeitgleich in allen 16 Bundesländern eingereicht. Via Netz dafür votieren kann man nur in Bremen.

Der Hintergrund: Ende März haben sich die Ministerpräsidenten der Länder auf eine Novelle des so genannten Jugendmedienschutz-Staatsvertrags geeinigt. Zahlreiche Netzaktivisten laufen dagegen Sturm, auch wenn sie gegenüber der Erstfassung sehr stark abgespeckt ist. Sie soll die Betreiber von Internetseiten zur freiwilligen Alterskennzeichnung ihrer Angebote bewegen. Besondere PC-Schutzprogramme sollen dabei die Altersangaben für die Seiteninhalte lesen und diese dann entweder freigeben oder stoppen. Der neue Staatsvertrag soll am 10. Juni unterschrieben werden.

Huch sieht in dem Gesetzesvorhaben zum einen einen „unverhältnismäßigen Eingriff“ in die grundgesetzlich geschützte Meinungs- und Pressefreiheit. Zum anderen sei es „technisch gar nicht umsetzbar“, sagt Huch, weil es noch gar kein von der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zertifiziertes Schutzprogramm gebe. Angebote wie You Tube, Facebook und Blogs würden „unzulässig“, Angebote der politischen Willensbildung für Jugendliche mitunter nicht mehr zugänglich. Huch sieht den JMStV als „total missratenes Konstrukt“, das „abgeschafft“ werden müsse , zumal es das Internet mit dem Rundfunk gleichsetze. Das sei eine Ausgeburt der „Generation Münzfernsprecher“, wie Huch sagt.

Mit ihm sind bislang knapp 700 MitzeichnerInnen dieser Meinung, mehr Internet-Stimmen hat bisher nur die mittlerweile von fast 1.000 Menschen unterstützte Petition zur Zulassung von freien Alternativschulen in Bremen. Von den 35 E-Petitionen, die derzeit schon in der parlamentarischen Beratung sind, haben manche gar keine, die meisten nur eine handvoll UnterstützerInnen gefunden. Lediglich die Initiative „Gegen die Militarisierung der Forschung – Für ein ziviles Bremen“ fand knapp 400 Befürworter im Netz. Ziel der Einführung der Online-Beschwerde war die Stärkung des Petitionsrechts in Bremen.

Huch zeigt sich „angenehm überrascht“ vom hiesigen Zuspruch, aus dem lokalpolitischen Raum gab es bislang aber keine Reaktion. Dabei haben auch alle Bundes- und Landtagsabgeordneten in dieser Sache Post von Huch bekommen. mnz

Mehr dazu: http://petition.bremische-buergerschaft.de