Eine Ahnung vom Zuchthaus ist geblieben

Aus Anlass seines 100-jährigen Bestehens öffnet sich das Gefängnis in Hamburg-Fuhlsbüttel normalen Besuchern. Interessanter als die Fotoausstellung ist „Santa Fu“ selbst

Das Interessanteste an dieser Ausstellung ist, dass man sie überhaupt besichtigen kann: Die Exponate selbst sind schnell gesichtet, und der Anblick von selbst gebastelten Fluchtwerkzeugen ist eigentlich für jeden verzichtbar, der schon Spielfilme über einen Knastausbruch gesehen hat. Warum empfiehlt sich der Besuch der historischen Schau „100 Jahre Santa Fu“ dennoch? Er bietet eine Gelegenheit für das normale Publikum, überhaupt einmal in die hoch gesicherte Strafanstalt in Hamburg-Fuhlsbüttel hineinzukommen.

„Santa Fu“ ist eines der bekanntesten Gefängnisse der Welt, worauf Anstaltsleiter Andreas Behn nicht ohne Stolz hinweist. Nun mag man darüber philosophieren, ob der Bekanntheitsgrad ein geeigneter Gradmesser für die Qualität eines Gefängnisses ist, schließlich hat gerade „Santa Fu“ immer wieder durch Gefangenenrevolten und spektakuläre Ausbrüche für Schlagzeilen gesorgt. Anziehungskraft hat so ein Ort aber allemal. Ein gewisser Voyeurismus wird beim Besuch zweifellos bedient. Zwar bekommt man die „harten Jungs“ nicht zu Gesicht, spürt ihre Gegenwart aber umso mehr. Mehr als 300 Insassen, und keiner ist zu sehen – eine geheimnisvolle Binnenwelt.

In der Ausstellung ist die Geschichte des Hafthauses II vor allem anhand von Fotos nachzuvollziehen. Ein Bild aus dem Jahr 1906 zeigt, wie Insassen in Reih und Glied auf dem Hof ihre Runden laufen, auf anderen ist der Bau von außen zu sehen. „Santa Fu“ ist in panoptischer Bauweise errichtet: Von einem Schaltzentrum in der Mitte gehen die Flure sternförmig ab. Die düstere Atmosphäre, die in den langen Fluren herrscht, wird durch das Verblichene der alten Schwarzweiß-Bilder noch verstärkt.

Doch es erfährt auch viel, vielleicht sogar noch mehr, wer sich das Gefängnis selbst anschaut. Was heute Justizvollzugsanstalt heißt, trug früher den Namen Zuchthaus, und wieso, lässt sich bis heute erahnen. Während die einzelnen Trakte nach und nach renoviert werden, ist die Außenfassade noch von 1906 – in einem Stil, der dem Besucher gleich eine gute Portion Beklemmung mitgibt.

Grotesk in ihrer Verspieltheit wirken da die Bonbonfarben, in denen die Türen zu den renovierten Trakten gestrichen sind. Neongrün, quietschgelb oder knallrot die Türen zum Flur, während die einzelnen Zellentüren noch das Originalholz von anno dazumal zeigen, eingefasst in rotbraune Steinumrandung, wie man sie aus den Beschreibungen mittelalterlicher Verliese kennen mag. Die Zellenwände sind frisch geweißt, auf den Böden liegt hellbeiges Linoleum, aber Fenster in Sichthöhe gibt es immer noch keine – die Insassen müssen auf ein Bett oder den Stuhl steigen, um hinauszuschauen. Anders ist das nur im dritten Stock, auf der „Bewährungsstation“: Hier gibt es – vergitterte – Fenster in Augenhöhe. Daran läst sich ablesen: Dieses Stockwerk wurde erst vor wenigen Jahren auf die alte Bausubstanz gesetzt.

So tief ins Innere des Gefängnisses gelangen die Ausstellungsbesucher freilich nicht. Sie werden nur bis in die Anstaltskirche vorgelassen, auf deren kleiner Bühne die Exponate zu besichtigen sind, dazu einige Handwerksarbeiten von Gefangenen. Aber immerhin. Noch vor zwei Wochen, zu Amtszeiten von Hamburgs Ex-Justizsenator Roger Kusch, wäre vielleicht noch nicht mal das möglich gewesen. Und der Besuch der Ausstellung wäre den Gefangenen vorbehalten geblieben, die „Santa Fu“ ohnehin besser kennen, als sie es sich wünschen. Elke Spanner

Die Ausstellung „100 Jahre Santa Fu“ ist morgen und am nächsten Dienstag von 14 bis 18 Uhr in der JVA Hamburg-Fuhlsbüttel zu besichtigen; Einlass gegen Vorlage eines Personalausweises