Berlusconi will immer noch nicht in Rente

ITALIEN Silvio Berlusconi gibt sich unbeeindruckt vom absehbaren Mandatsverlust und droht mit seiner außerparlamentarischen Opposition. Mehrwertsteuererhöhung könnte zur Machtprobe führen

„Man kann auch Politik treiben, ohne im Parlament zu sein. Nicht der Abgeordnetensitz macht einen Leader aus, sondern der Volkskonsens – euer Konsens“

SILVIO BERLUSCONI, DEM DER AUSSCHLUSS AUS DEM SENAT DROHT

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Exministerpräsident Silvio Berlusconi hat beste Chancen, als Vorbestrafter seinen Sitz im Senat zu verlieren. Doch in einer TV-Ansprache verkündete er ungerührt, er wolle weiter in der italienischen Politik mitmischen.

Am späten Mittwochabend kam es im Immunitätsausschuss des Senats zu einer ersten Abstimmung über die Causa Berlusconi. Ein Gesetz vom Dezember 2012 sieht vor, dass zu einer Freiheitsstrafe von über zwei Jahren verurteilte Parlamentarier „umgehend“ ihr Mandat einbüßen. Berlusconi wurde am 1. August zu vier Jahren verurteilt, wegen Steuerhinterziehung. Eigentlich ein klarer Fall.

Doch der rechte Berichterstatter im Ausschuss wollte ein Votum erreichen, das die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes bestreitet. Der Immunitätsausschuss lehnte dieses Ansinnen jedoch mit den Stimmen der gemäßigt linken Partito Democratico (PD) und der Fünf-Sterne-Bewegung unter Beppe Grillo rundweg ab. Noch im kommenden Oktober werden deshalb erst der Ausschuss, dann das Plenum des Senats über Berlusconis Mandatsverlust befinden.

Seine Erwiderung hatte Berlusconi schon einige Stunden vor der Ausschusssitzung gegeben – mit einer live übertragenen Fernsehrede. Zunächst sprach er sich einfach selbst frei („absolut unschuldig“). Dann rechnete er mit den Richtern ab, die ihn „mit einem politischen, einem monströsen Urteil aus der Politik verbannen“ wollten, natürlich „ohne jeden Beweis“. Doch da hätten sie die Rechnung ohne ihn gemacht: „Man kann auch Politik treiben, ohne im Parlament zu sein. Nicht der Abgeordnetensitz macht einen Leader aus, sondern der Volkskonsens – euer Konsens.“

Erster Akt seines neuen politischen Wirkens ist die Wiederbelebung seiner alten Partei Forza Italia, wie Berlusconi in seiner Rede bekanntgab. Forza Italia hatte sich im Jahr 2008 mit den Postfaschisten der Alleanza Nazionale zum Popolo della Libertà (PdL – Volk der Freiheit) zusammen geschlossen. Jetzt soll der Bund wieder gelöst werden, zugunsten einer rein Berlusconi-hörigen, populistischen Bewegung im alten Stil.

Nichts ließ Berlusconi dagegen über das Schicksal der Regierung unter Enrico Letta verlauten. Letta stützt sich auf eine Koalition, in der Berlusconis PdL Partner der PD ist. Diese bizarre Koalition unter Feinden verdankt sich allein der Tatsache, dass nach den Wahlen vom Februar 2013 im Senat keine Mehrheiten existierten. Doch die alte Feindschaft lebt: Berlusconi spickte seinen Fernsehauftritt mit Ausfällen gegen „die Linke des Neides, des Ressentiments, des Hasses“. Zugleich verzichtete er aber darauf, im Falle seines Ausschlusses aus dem Senat mit dem sofortigen Koalitionsbruch zu drohen. Dennoch wettet in Rom niemand auch nur einen Cent auf die Stabilität der Regierung Letta: Berlusconi verzichtete gleichermaßen darauf, eine Bestandsgarantie für die Koalition auch nur anzudeuten.

Stattdessen nannte er mögliche Konfliktfelder, vorweg die Frage der Mehrwertsteuererhöhung, die Italien wegen seiner Defizitprobleme droht. Damit zeichnet sich die Strategie der Berlusconi-Rechten ab. Zum Krach soll es nicht über Berlusconis Justizprobleme, sondern über Steuerfragen kommen – um dann eine populistische Wahlkampagne führen zu können, unter Frontmann Berlusconi, auch wenn der nicht wieder ins Parlament darf.