Deko statt Doku

Große Tiere und doch kein Treffer: Ben Lewis auf „Art Safari“ durch die Gegenwartskunst (Sa. 20.15 Uhr, Arte)

Siebenmal eine halbe Stunde lang begibt sich der preisgekrönte Dokumentarist Ben Lewis ab heute auf Großwildjagd im Dschungel der Gegenwartskunst. „Art Safari“ nennt er seine Reihe, in der er sich als gelehriger Schüler Michael Moores erweist. Wie das mächtige Vorbild gibt sich auch sein schmächtiger Adept den Anschein, als hätte er keine Ahnung, was er gerade tut, wenn er die Big Shots des Kunstmarkts wie Takashi Murakami, Maurizio Cattelan, Wim Delvoye, Matthew Barney, Santiago Sierra und Gregor Schneider aufs Korn nimmt.

Unbeholfen steht er mit dem Wuschelmikro im Bild und beratschlagt sich mit dem Zuschauer, was als Nächstes zu unternehmen sei. Und mutig befragt er die Bösen bei Christie’s und Sotheby’s zu Künstler, Werk und Auktionswert. Endlich, so scheint es, wird der Zuschauer darüber aufgeklärt, was denn wirklich dran ist an der zeitgenössischen Kunst.

Doch anders als Moore bringt Lewis seine Trophäen nicht zur Strecke. Statt der Doku liefert Lewis pure Deko. Er rüscht. Zupft die Schleife zurecht, zu der er all seine – in wohl kalkulierter Naivität – gestellten Fragen bindet; seine Spielchen und bizarren Einfälle, mit denen er die Künstler unterhält und verführt, damit sie doch bitte, bitte ihr Geheimnis preisgeben mögen. Lewis scheint die Künstler herauszufordern. Tatsächlich aber bauchpinselt er sie nur.

Profundes Wissen allerdings und intelligente Unerschrockenheit helfen ihm, das Publikum kurz und schmerzlos mit den notwendigen Informationen zu impfen – damit die süffige Ironie seiner Serie dort auch ankommt. Das ist keine Kleinigkeit. Warum aber noch eine Schleife um eine Ware binden, die der Kunstmarkt für Sammler und Öffentlichkeit eh schon mit einer dicken Schleife aus steilen Preisen und heißen Partys versehen hat? „Art Safari“ ist die Erfindung des Easy-Listening-Formats für die Kunstvermittlung – unglücklicherweise erfunden für eine sowieso verspielte, leicht konsumierbare Kunst.

Ideales Opfer dieses Formats scheinen ausschließlich Künstler zu sein. Was aber nicht ihr Verdienst ist. Der Kunstmarkt hat eben mit Künstlerinnen nichts am Hut. Nur eine einzige Frau schaffte es in die Reihe – und sie macht Lewis auch gleich einen Strich durch die Rechnung.

An sich scheint Sophie Calle (Sendung am 29. 4.) bestens mit dem Stil der „Art Safari“ zu harmonisieren. Schließlich besteht ihre Kunst darin, Spiele zu spielen. Damit hat sie aber dem Filmemacher zu viel an Erfahrung voraus. Fair ist ihr Vorschlag also nicht zu nennen, den sie ihm – ganz im Stil ihrer eigenen Arbeit – macht. Er soll sich eine Spielanleitung ausdenken, deren Regeln sie dann folgen wird – vorausgesetzt, die Idee hat so viel Witz wie ihre eigene Kunstspionage, wenn sie etwa als Zimmermädchen die Hotelgäste ausforscht.

Schnell wird deutlich, dass Ben Lewis bei all seiner Unverfrorenheit mit ihrer Chuzpe dann doch nicht mithalten kann. Nicht er, sondern sie selbst setzt sich in Szene. Fast tut er einem Leid. Er hätte Rebecca Horn nehmen sollen. Für die flotte Inszenierung ihrer ausgeweideten Klaviere und anderen mythischen Maschinen hätten seine Ideen vermutlich gereicht. B. WERNEBURG