Enthüllung über NSA-Spionage war ein Weckruf

DATENSCHUTZ In Brasilien ist die Sicherung des Internets und der Schutz privater Informationen für viele noch Neuland

Rio de Janeiro taz | Die Enthüllungen über die Überwachung der Telekommunikation durch den US-Geheimdienst haben in Brasilien hektische Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheitsstandards ausgelöst. Die Kommunikationsbehörde Anatel kündigte an, den Umgang mit Daten seitens der im Land ansässigen Internetprovider und Telefonanbieter zu prüfen.

Die zumeist multinationalen Firmen stehen im Verdacht, insgeheim mit der NSA zu kooperieren. In Brasilien ist Datenschutz für viele ein Fremdwort. Für simple Telefonanfragen bei Behörden beispielsweise muss man seine Steuernummer angeben. Wer ein modernes Geschäftshochhaus betritt, muss seine Personaldaten ablichten und registrieren lassen.

Doch das Sammeln von Daten durch ausländische Geheimdienste hat die Brasilianer hellhörig gemacht. Das aktuelle Geschehen dürfte auch die Verabschiedung des neuen Internet-Rahmengesetzes beschleunigen, das seit 2011 im Parlament diskutiert wird. „Die Sicherheit des virtuellen Raums ist dringend notwendig, damit Daten nicht von fremden Staaten oder Mechanismen missbraucht werden“, so die Ministerin für institutionelle Beziehungen, Ideli Salvatti.

An Ideen für zusätzliche Vorschriften mangelt es nicht: So sollen Facebook und Twitter gezwungen werden, die Daten brasilianischer Nutzer im Inland zu speichern. Zudem sollen mehr Internet-Knotenpunkte in Brasilien selbst geschaffen werden. Doch Kritiker weisen angesichts der technischen Überlegenheit in den Industriestaaten darauf hin, dass es für die Datenspionage keine nationalstaatlichen Grenzen gibt. Auch Präsidentin Rousseffs Ankündigung, ihren Gmail-Account nicht mehr zu nutzen, sei kein geeignets Mittel, einer Überwachung zu entgehen.

Die Internet-Spione der NSA sind vermutlich auch deshalb an Brasilien besonders stark interessiert, weil das Land einer der weltweit wichtigsten Schnittpunkte transnationaler Überseekabel ist. Von hier aus lässt sich also auch die Kommunikation politisch unliebsamer Staaten wie Venezuela oder Bolivien anzapfen. Technisch ist Brasilien durchaus in der Lage, eigene Datentechnologie zu entwickeln. Doch bisher stießen entsprechende Vorstöße wissenschaftlicher Einrichtungen bei den politisch Verantwortlichen auf taube Ohren. Auch die angekündigte engere regionale Kooperation dürfte noch eine Weile brauchen. Bis dahin kann die NSA ihren Vorsprung weiter ausbauen.

Andreas Behn