bücher über fußball, zweite lieferung
: Ein großer ungarischer Fußballtrainer, ein göttlich inspirierter Fußballer und haufenweise Fußballwörter

Das Schöne am Fußball ist, anders als etwa bei der Literatur oder der Literaturkritik, dass die, die er wirklich interessiert, immer interessiert sind – da braucht es keinen Bestseller oder einen selbst literaturferne Gemüter bewegenden Richtungsstreit in der Literaturkritik, da hat selbst ein UI-Cup-Spiel gute Einschaltquoten. Zudem sind Gnostiker und Emphatiker beim Fußball immer eins, von wegen 80 Millionen Bundestrainern.

Auch das sonstige Schaffen der drei Autoren, deren Fußballbücher wir heute vorstellen, bestätigt das: Detlev Claussen ist Adorno-Schüler und Professor für Gesellschaftstheorie, Kultur- und Wissenschaftssoziologie. Jan Weiler ist Bestsellerautor mit zwei Büchern über seinen italienischen Schwiegervater und dessen Familie. Ulf Geyersbach veröffentlichte 2004 mit Rainer Wieland das Buch „Schöner leiden. Die schönsten Krankheiten und die größten Hypochonder des Universums“. Adorno, Antonio, Medizin, ein weites Feld. Aber Fußball interessiert sie alle drei, naturgemäß auf unterschiedliche Weise. Detlev Claussen porträtiert in seiner „Weltgeschichte des Fußballs in einer Person“ den jüdischstämmigen ungarischen Fußballer und Trainer Béla Guttmann. Claussen führt dabei wirklich tief in die Geschichte und die Welt, erzählt aus der europäischen Geschichte des Fußballs der Zwanziger- und Dreißigerjahre und zeigt die schon damals im Fußball herrschende Globalisierung auf.

Guttmann wechselt 1922 von Budapest nach Wien, geht mit seinen Mannschaften auf Tour in England, Ägypten, Palästina und auch in den USA, wo er für die New York Giants spielt. Genauso welthaltig seine Trainerlaufbahn: Ungarn, Rumänien, Italien, Zypern, Brasilien und Portugal, wo er mit Benfica Lissabon 1961 und 1962 den Europapokal der Landesmeister holt. Ein Fußballglobetrotter, dessen Geschichte Claussen hintergründig und kundig beschreibt, inklusive der gesellschaftlichen Implikationen des Fußballs, seinen Aufstiegsmöglichkeiten für Spieler und Trainer (aber auch seinen Barrieren) und den vielen rein fußballtaktischen Metamorphosen. Mehr als ein Fußballbuch also, bei dem nur stört, dass Claussen – um der Chronologie-Falle zu entgehen?, um einen Karrierehöhepunkt herauszustreichen? (deren hatte Guttmann einige) – sklavisch-redundant auf besagte Landesmeister-Endspiele zurückkommt

Anders als Claussen hat sich Jan Weiler mit „Gibt es einen Fußballgott?“ eine kleine Geschichte ausgedacht: über den schlechten Fußballer Adrian Pfeffer, der davon träumt, ein toller Fußballer zu werden, und dann eine Begegnung mit dem Fußballgott hat. Dieser verspricht ihm einen göttlichen Moment pro Spiel, also ein Tor pro Spiel. Pfeffer wird daraufhin ein Star. Das ist schön und amüsant, endet aber tragikomisch und wird von Weiler schön einfach erzählt.

Ulf Geyersbach hat mit „Fußballdeutsch“ ein Fußballlexikon geschrieben, und in dem sind laut Geyersbach, „das elegisch Altbekannte und das dummdreist Neufeschige […], die Schwerwortbrocken, an denen der Leser über knapp 200 Seiten zu knabbern hat“. Worte also wie Absahner, Fahrstuhl-Klub, mental, Selbstfindungsprozess, zweikampfstark, die Geyersbach kommentiert: sarkastisch, fundiert, an Stilblüten wie Sprachkritik gleichermaßen interessiert. Wie im aktuellen Streit um eine kleine Literaturgeschichte, wo Seitenzahlen pro Autor penibel gezählt werden und auch die fehlenden Autoren, könnte man monieren, was bei Geyersbach alles fehlt: Viererkette etwa. Oder Raute, Gasse, müllern und Guten Abend allerseits. Aber lassen wir das, auch, dass „neufeschig“ ein schrecklicher Neologismus ist: Wir sind hier doch beim Fußball, Ulf!  GERRIT BARTELS

Detlev Claussen: „Béla Guttmann“. Berenberg Verlag, Berlin 2006, 144 S., 19 EuroJan Weiler, Hans Traxler (Illustr.): „Gibt es einen Fußballgott?“. Kindler, Reinbek 2006, 80 S., 7,90 Euro Ulf Geyersbach: „Fußballdeutsch“. Ullstein Verlag, Berlin 2006, 228 S., 14,95 Euro