Fakten zum Sammeln

„Focus“ bleibt sich treu und präsentiert Literatur für Dünnbrettbohrer: die Klassiker im Abstract-Format

Warum 767 Seiten „Buddenbrooks“ lesen, wenn es auch auf 24 Seiten geht? Wer braucht schon stundenlange Beschreibungen von Tapetenmustern, alles Plunder! Und überhaupt: Time is money.

Dachte man sich beim Magazin Focus und entschloss sich, zwölf Klassiker der Weltliteratur in Kurzfassung herauszugeben, „zum Herausnehmen und Sammeln“. Am Ende wird dieser Kanon – von Homers „Odysee“ bis Max Frischs „Homo Faber“ – locker in das Handschuhfach eines Audis passen, neben „getAbstract“, Kopräsentator dieser Aktion: Die Heftchen bieten eine Zusammenfassung der Handlung, Charakteristiken der Hauptfiguren sowie biografische Informationen zum Autor.

Die „getAbstract AG“ („compressed knowledge“) offeriert schon seit einigen Jahren via Internet Zusammenfassungen „herausragender Wirtschaftsbücher“, um Manager und Führungskräfte mit neuesten „Business-Informationen“ zu versorgen: Textbausteine, mit denen man bei der nächsten Konferenz prunken kann.

Die Focus-Klassiker-Edition ist hingegen Zulieferer für das abendliche Geschäftsessen mit Gattinnen oder den Plausch bei der Vernissage: Bildung zumindest simulieren zu können, ist eine Eintrittskarte in die höheren Gesellschaftsschichten. Als es dem Protagonisten in Woody Allens „Match Point“, dem aus einfachen Verhältnissen stammenden Aufsteiger Chris Wilton, zu anstrengend wird, sich durch Tolstois „Krieg und Frieden“ zu quälen, greift er einfach zu einer Zusammenfassung.

Die Abstracts sind eine ideale Lektüre für innerdeutsche Business-Flüge, etwa auf der Strecke Berlin–Köln. Auch dort wird nicht mal die standardmäßige Reiseflughöhe erreicht. MRE