Umweltschützer: Schwarz-Gelb hat Benzin im Blut

LOBBYISMUS Der Öko-Verband DUH wirft der Bundesregierung vor, sie lasse sich in der Umweltpolitik vor den Karren der deutschen Autoindustrie spannen

BERLIN taz | Die Bundesregierung ist der deutschen Autoindustrie hörig – und bricht sogar Recht, um ihr zu helfen. Das wirft die Deutsche Umwelthilfe (DUH) der schwarz-gelben Koalition in einem Bericht vor, den sie am Dienstag in Berlin vorstellte. Die Umweltorganisation sieht vor allem die liberalen Wirtschaftsminister Philipp Rösler und seinen Vorgänger Rainer Brüderle sowie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als „Erfüllungsgehilfen der deutschen Autohersteller“.

Deutlich werde das an der Intervention Merkels im Juni, als sie einen aus ihrer Sicht zu niedrigen europaweiten CO2-Grenzwert für Neuwagen verhinderte. „Auf Druck von Autoherstellern aus Süddeutschland hat die Kanzlerin diesen mühsam ausgehandelten Kompromiss persönlich zertrümmert“, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Damals hatte die Regierung offenbar massiven Druck auf die irische EU-Ratspräsidentschaft ausgeübt. Das Ergebnis: keine neuen Emissionsgrenzwerte, dafür glückliche Autofabrikanten.

Die Bundesregierung habe oft „Politik für eine Handvoll Großkonzerne statt für Millionen Bürger“ gemacht, sagt Resch. Subventionen für Elektromobilität würden oft für reine Prestigeprojekte verwendet. So habe Porsche 850.000 Euro zur „Förderung der Nutzerakzeptanz“ von Elektroautos erhalten. Verwendet wurde das Geld laut Umwelthilfe für eine Flotte mit Hybridkarossen, die als Shuttle-Service für Luxushotels zur Verfügung gestellt wurden.

Gleichzeitig habe die Koalition Subventionen für Gebrauchtwagenbesitzer, die einen Partikelfilter nachrüsten wollen, abgeschafft, ärgert sich Resch. Das sei ganz klar Politik im Interesse der Autokonzerne. „In einem internen Schreiben des Wirtschaftsministeriums steht, dass dieses Nachrüsten den Neuwagenkauf zu sehr dämpfe.“ Die DUH forderte, das „Ghostwriting“ von Gesetzen zu verbieten. Dass Konzerne Verordnungen verfassten, sei keine Seltenheit. Die Umwelthilfe glaubt, dass die Industrie auch bei der Energieverbrauchskennzeichnung ihre Finger im Spiel hatte. Diese Regelung, 2010 unter der Ägide von Rainer Brüderle beschlossen, stuft einen schweren Geländewagen wie den Audi Q7 in eine bessere Effizienzklasse ein als den Kleinwagen Citroën C1.

Seit dreieinhalb Jahren klagt die Umwelthilfe gegen das Wirtschaftsministerium, um Einsicht in interne Akten zur Entstehung der Kennzeichnung zu bekommen. Dabei beruft sie sich auf das Umweltinformationsgesetz. Laut DUH hat das Verwaltungsgericht Berlin nun dem Ressort eine Frist bis Anfang September gesetzt, zu begründen, warum man keine Akteneinsicht gewähre. Im Haus von Philipp Rösler heißt es, man brauche noch mehr Zeit. „Im Verfahren sind weitere Fragen relevant“, dafür sei eine Abstimmung mit „betroffenen Ressorts erforderlich“.

JAKOB STRULLER