nicht käuflich
: Wurst as usual

„Die Bauernkapelle ist immer dabei, wenn es um die Wurst geht“

Dieser schöne Satz steht in einem Buch, das mir mal jemand geschenkt hat, der meinte, mich interessiere das Lebenswerk des „Europa-Bauern Ewald“, auch bekannt als mittlerweile verstorbener Initiator des Prickings-Hofes in Haltern-Sythen. Dieser für Touristen begehbare Bauernhof wird täglich von deutschen und holländischen Bustouristen besucht. Ich habe das reich bebilderte Buch wieder hervor gekramt, als ich hörte, dass auch auf dem Prickings-Hof wegen der Schweinepest gekeult wird. Am Montagabend wurden bis in die Nacht hinein auf dem „größten Musterbauernhof der Welt“ 2.200 Schweine getötet. Der Zeitpunkt sei bewusst gewählt worden, um den Betrieb nicht über Gebühr zu belasten, so ein Sprecher des Kreises Recklinghausen. Ob die Bauernkapelle am Montag auch zum Keulen aufspielte?

Immerhin fand ich in dem Buch einen tröstlichen Vierzeiler aus Bauer Ewalds Feder: „Ab jetzt wird verwurstet bei uns jedes Schwein / und so bringt die Landwirtschaft eine Kleinigkeit ein! / Ein Verkaufsraum wurde dazu noch gebaut, / hier macht sich der Kunde mit unseren Produkten vertraut.“ Angesichts der Nachrichtenlage: Was bleibt dem Prickings-Hof-Buch-Leser – außer zurückreimen? Die gläserne Produktion / da braucht man kein‘ Spion / Warum wurden dann spät in der Nacht / 2.200 Schweine umgebracht?

Im Vergleich mit anderen betroffenen Bauern im Münsterland geht es dem Prickings-Hof noch relativ gut – den Sythener Show-Landwirten bleiben die Vieh-Stalker. Andere Agrarier müssen aus Angst vor der Borstenviehkrankheit schon Kunden abwimmeln: Leute, die bei Landwirt Franz-Josef Stienen nur Kartoffeln kaufen wollen, lasse dieser gar nicht mehr auf den Hof, meldet der WDR. Sie würden zum Privathaus umgeleitet, damit niemand die Schweinepest einschleppt.

Den Bauern, die nichts verdienen an seltsamen Deutschen und Holländern, die erst Tiere gucken und dann essen wollen, geht es durch die Schweinepest an ihre Existenz. Es gibt zwar eine Tierseuchenkasse des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes. Allerdings müssen sich alle Betroffenen den dort angesparten Betrag teilen. Je weiter sich die Schweinepest ausweitet, desto kleiner werden die Entschädigungen.

Im münsterländischen Lebenswerk des Europa-Bauern ist das freilich kein Thema – Bauer Ewalds Nachfahren machen unverdrossen weiter: „Die Behörden bestätigten, mit allen vorsorglich getroffenen Maßnahmen kann der Betrieb auf dem Bauernhof weiter durchgeführt werden“. Ein paar Fragen bleiben jedoch offen: Verkraftet die Wursterei des Prickings-Hofes locker den Ausfall von 2.200 Schweinen? Gibt es für die Bauernkapelle also keinen unbezahlten Urlaub? Ist wieder Wurst as usual? Und: Wer oder was hat im Prickings-Hof bloß das Wurstloch gestopft? ELMAR KOK