Millionäre werden zur Kasse gebeten

UMSTEUERN 15.000 Menschen demonstrieren für höhere Steuern. Laut Attac könnten sie eine Billion Euro in zehn Jahren bringen

Ein Stöhnen geht durch die Menge. Ver.di-Chef Bsirske rechnet vor: Allein das Vermögen der BMW-Erbin Susanne Klatten wachse um 2,6 Millionen Euro – jeden Tag

AUS BOCHUM ANDREAS WYPUTTA

Für mehr soziale Gerechtigkeit, gegen die Schere zwischen Arm und Reich und für eine höhere Besteuerung Superreicher sind mehr als 15.000 Menschen am Samstag bundesweit auf die Straße gegangen. Die Proteste wurden vom Bündnis Umfairteilen organisiert.

Allein beim zentralen Sternmarsch in Bochum liefen rund 12.000 DemonstrantInnen mit. Im Berliner Regierungsviertel bildeten nach Veranstalterangaben rund 3.000 Engagierte eine „Umfairteilenkette“. Aktionen gab es auch in Städten wie Saarbrücken und Regensburg.

Das Bündnis fordert die Wiedereinführung der Vermögensteuer, eine Vermögensabgabe und „den konsequenten Kampf gegen Steuerbetrug und und Steueroasen“. Hinter Umfairteilen stehen 24 Organisationen. Mit dabei sind Gewerkschaften wie Ver.di, Sozialverbände wie der Paritätische, aber auch zivilgesellschaftliche Akteure wie Attac und Migrantenselbstorganisationen wie die Föderation Demokratischer Arbeitervereine (DIDF). Unterstützung kommt auch von der „Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe“.

Die Konzepte der Bündnispartner unterscheiden sich nur in Details. So fordert etwa Attac eine Vermögensabgabe für Millionäre und Milliardäre, die mit einem Abgabesatz von 20 bis 80 Prozent gestaffelt werden soll. Für Betriebsvermögen sollen hohe Freibeträge gelten. Über eine Laufzeit von zehn Jahren hofft Attac trotzdem auf Einnahmen von rund einer Billion Euro – das ist fast die Hälfte der gesamten Schulden von Bund, Ländern und Kommunen zusammen, die aktuell etwa 2,1 Billionen Euro betragen.

Der Ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske erklärte, dass sich die Umfairteilen-Pläne nicht gegen Normalverdiener oder die gehobene Mittelschicht richteten. „Wir fordern eine Millionärssteuer. Davon wäre nur ein Prozent der Bevölkerung betroffen“, so der Gewerkschaftschef.

Deshalb haben die Konzepte des Bündnisses offenbar die Unterstützung der Mehrheit der WählerInnen. „80 Prozent der Bevölkerung finden die Vermögensverteilung in Deutschland ungerecht“, so der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider – dies habe vor zwei Wochen eine repräsentative Umfrage ergeben, die sein Verband beim Institut Infratest Sozialforschung in Auftrag gegeben habe. Danach sprechen sich 77 Prozent der Wahlberechtigten für eine stärkere Besteuerung sehr hoher Einkommen und Vermögen aus, um damit Ausgaben etwa in Bildung, Soziales und Kultur zu finanzieren.

Ob die Grünen, die mit der Forderung nach einer stärkeren Besteuerung der Reichen in den Wahlkampf gezogen sind, nicht gerade deshalb an Zustimmung verlieren? Gewerkschaftschef Bsirske, der selbst Mitglied der Grünen ist, wollte diese Frage in Bochum nicht beantworten. Abgerechnet werde bei der Bundestagswahl am Sonntag. Bsirske setzt auf die 30 Prozent der noch unentschlossenen WählerInnen: Von denen forderten 72 Prozent eine Umverteilung von oben nach unten, sagte er.

Bei der zentralen Abschlusskundgebung vor dem Bochumer Bergbaumuseum gaben sich die Organisatoren deshalb kämpferisch. Gerade im Ruhrgebiet – für den Paritätischen längst Armutsregion Nr. 1 – spiegele sich die soziale Spaltung der Republik „wie in einem Brennglas“, so Jochen Marquardt vom DGB Ruhr. Während im reichen Süden des Reviers Milliardäre wie die Aldi-Besitzer Albrecht residierten, kämpften im Norden immer mehr Menschen mit nicht existenzsichernden Löhnen und drohender Altersarmut.

Immer wieder mahnten RednerInnen wie die DIDF-Vorsitzende Özlem Alev Demirel, nur Reiche könnten auf eine soziale Infrastruktur aus kostenfreier Bildung, Bibliotheken, Schwimmbädern, Jugend- und Seniorentreffs verzichten.

Der Ärger über die soziale Spaltung war in Bochum gut spürbar: Als Ver.di-Chef Bsirske vorrechnete, das Vermögen der BMW-Erbin Susanne Klatten sei im vergangenen Jahr täglich um 2,6 Millionen Euro gewachsen, ging ein ungläubiges, aber auch empörtes, fast wütendes Stöhnen durch die Menge.