„Dieses Ergebnis ist ein Alarmsignal für die CSU“

BAYERNWAHL Sie zeigt, dass das bürgerliche Lager zerfranst, sagt Parteienforscher Franz Walter

■ Jahrgang 1956, ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Göttingen und Demokratieforscher. Er gilt als einer der profiliertesten Parteienkenner Deutschlands und hat zahlreiche Bücher veröffentlicht.

taz: Herr Walter, die CSU hat in Bayern die absolute Mehrheit – was bedeutet das für die Bundestagswahl?

Franz Walter: Es ist noch alles offen. So gut ist das Ergebnis der CSU nicht. Diese Bayernwahl hat gezeigt, dass es der Union nicht mehr gelingt, das bürgerliche Lager komplett zu repräsentieren. Es ist für die CSU ein Alarmsignal, dass die Freien Wähler relativ stabil geblieben sind.

Die Freien Wähler haben doch leicht verloren im Vergleich zur letzten Bayernwahl. Warum soll das ein Alarmsignal sein?

Die Bayernwahl 2008 war eine absolute Protestwahl. Damals dachten alle Auguren, dass es der gut organisierten CSU gelingen würde, diese abgewanderten Stimmen wieder zurückzuholen und die Freien Wähler ins Abseits zu drängen. Doch nun muss man feststellen: Die CSU hat große Teile der konservativen ländlichen und mittelständischen Schicht verloren und die Grenzen ihrer Mobilisierung erreicht. Das bürgerliche Lager zerfranst und pluralisiert sich.

Hat deswegen auch die FDP so schlecht abgeschnitten?

Das magere Wahlergebnis zeigt, wie hohl diese Partei ist. Sie schrumpft ins Nichts, sobald die bürgerlichen Wähler wissen, dass die Liberalen nicht gebraucht werden, um eine Mehrheit zu beschaffen.

Im Bund werden die Liberalen gebraucht, wenn es eine bürgerliche Regierung geben soll. Wird es jetzt eine unterschwellige Zweitstimmenkampagne der Union für die FDP geben?

Die CDU-Wähler wollen, dass Angela Merkel möglichst stark wird. Also wird es keine massiven Abwanderungen zu den Liberalen geben.

Sind die Liberalen in Gefahr, unter 5 Prozent zu bleiben?

Unter normalen Umständen müssten sie über 5 Prozent kommen, denn Teile des Bürgertums agieren taktisch überaus klug und stärken die Liberalen, falls es nötig ist. Aber es gibt einen Unsicherheitsfaktor: die AfD.

In den Umfragen für die Bundestagswahl landet diese eurokritische Partei bisher aber immer unter 5 Prozent.

Die AfD ist aber in den letzten Umfragen stärker geworden, und es ist sehr wahrscheinlich, dass viele Sympathisanten sich bei Umfragen nicht ehrlich äußern, weil mit der AfD immer noch ein indezenter Klang verbunden wird. Der relative Erfolg der Freien Wähler in Bayern zeigt, dass im bürgerlichen Lager ein unbefriedigtes Protestpotenzial existiert. Allerdings ist es nicht möglich, etwas Sicheres über die AfD zu sagen. Alle Demoskopen stochern im Nebel.

Wie ist das schwache Ergebnis der SPD zu erklären?

Ude wird mit dem Ergebnis zufrieden sein. Das ist ein psychologisches Moment: Er hat nur die drittschlechteste Bayernwahl in der SPD-Geschichte zu verantworten – nachdem die beiden letzten Wahlen die schlechtesten waren. Aus SPD-Sicht geht es also aufwärts, was dann für die Bundestagswahl bedeutet, dass man hoffen kann, dort etwa 28 Prozent zu bekommen.

Und was können die Grünen hoffen? Ihr Ergebnis ist ebenfalls mies.

Immerhin können sich die Grünen trösten, dass sie einen starken Kern an Stammwählern haben. Das ist der Unterschied zur FDP, die sofort in sich zusammenstürzt, wenn sie nicht taktisch gebraucht wird. Aber die Grünen müssen sich vorerst von der Idee verabschieden, sie seien „die neue Volkspartei“. Die Bayernwahl war ein Warnschuss. UH