Kein Wunder in der Diaspora

TREND Die Bayern-Wahl bestätigt die bundesweiten Umfragen für die SPD – sie ist leicht im Aufwind. Trotzdem spielt die Partei das Ergebnis herunter

BERLIN taz | Dreimal gibt es Beifall um 18 Uhr im Berliner Willy-Brandt-Haus an diesem Wahlabend. Das erste Mal, eher verhalten, bei der Bekanntgabe des SPD-Ergebnisses: 21 Prozent. Das zweite Mal, deutlich lauter, bei den FDP-Zahlen: 3 Prozent, raus aus dem Landtag. Und vielleicht am lautesten bei den Zahlen zur Wahlbeteiligung: 64 Prozent, deutlich gestiegen.

Dass ARD-Moderator Jörg Schönenborn verkündet, dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass die CSU ihre Stammwähler wieder an die Urne bewegt habe, geht im Beifall unter. Die SPD hat ihre verlorenen Wähler offensichtlich zu wenig mobilisieren können.

Es ist ohnehin ein kleiner Bahnhof in der Berliner SPD-Zentrale: rund 200 Mitarbeiter, ein paar Rentner, viele Jusos, kaum Prominenz. Es gibt Brezn, das Bier kommt aus Radeberg, der Wein aus der Pfalz. Die SPD-Winkelemente und Parteifähnchen, die eine junge Parteimitarbeiterin kurz zuvor verteilt hat, bleiben unten. So sehen nicht Sieger aus, sondern Parteien, die nicht wissen, ob sie eine Wahl gewonnen oder nicht doch verloren haben.

Worüber soll sich die SPD denn auch freuen, wenn sie die Bayern-Wahlen als Signal für die Bundestagswahlen eine Woche später nimmt? Gegen 18.15 Uhr gibt Generalsekretärin Andrea Nahles die SPD-Linie des Abends vor: Dies sei eine „landespolitische Entscheidung“ gewesen, sagt sie. „Schwarz-Gelb scheint bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr zu ziehen.“ Und: „Wir sind die einzige Oppositionspartei, die in Bayern dazugewonnen hat.“ So kann man es natürlich auch sehen, an einem Abend, an dem Rot leicht dazugewonnen und die Grünen leicht verloren haben.

Eine halbe Stunde später tönt Peer Steinbrück ähnlich: „Das ist die 13. Landtagswahl nacheinander, in der die schwarz-gelbe Liebesheirat aufgekündigt wird. Es gibt gute Aussichten, dass es in einer Woche auch so ist.“ Sigmar Gabriel spricht davon, dass der Einzug der FDP in den Bundestag nicht mehr sicher sei. Ein Scheitern der Liberalen an der Fünfprozenthürde verbessere die Chancen für Rot-Grün. „Wenn die FDP nicht einzieht, werden wir große Chancen haben, das zu schaffen.“ Kann man ein klareres Signal an Unionswähler senden, die FDP zu unterstützen – und so die CDU/CSU in einer Großen Koalition zu schwächen?

Von Christian Ude haben sie sich viel versprochen in Berlin: dass er die marginalisierten Sozialdemokraten endlich aus der Diaspora herausführt und damit zeigt, dass nach Baden-Württemberg auch das letzte Bundesland den Konservativen entrissen werden kann. Aber die Kampagne litt von Anfang an unter dem Bundestrend, der erst in den letzten Wochen ein wenig gedreht werden konnte. Gleichzeitig verloren die Grünen in den Umfragen.

Auch am späteren Abend gibt es auf der SPD-Homepage noch keine Erklärung zu den Ergebnissen aus Bayern, nur eine lange Erklärung von Matthias Machnig steht darauf: „Alles nach Recht und Gesetz“ erklärt er zu seiner Ruhebezugsaffäre (siehe Seite 12). Der SPD-Wahlkampf, er kommt selbst dann nicht richtig in Schwung, wenn es einmal besser für die Partei läuft. MARTIN REEH