Mehr Transparenz

MEDIEN Die staatlichen Medien reagieren bisher schnell und offen auf das Erdbeben in Qinghai

Chinas offizielle Medien haben gestern schnell und ausführlich vom schweren Erdbeben im fernen Nordwesten des Landes berichtet. Sie zeigten Soldaten und Rettungsteams, die sich auf ihren Einsatz vorbereiteten. Ein örtlicher Funktionär erklärte gegenüber der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua, man werde zuerst in den Schulgebäuden nach verschütteten Kindern suchen – ein Hinweis darauf, wie frisch die Erinnerung an die Katastrophe vor fast genau zwei Jahren in der Nachbarprovinz Sichuan ist. Am 12. Mai 2008 waren fast 80.000 Menschen ums Leben gekommen, dutzende von Ortschaften zerstört worden.

Die Behörden haben offensichtlich aus den Erfahrungen mit den Medien in jenen Unglückstagen ihre Lehren gezogen: Damals hatten die Propaganda-Funktionäre der Kommunistischen Partei den Zeitungen und Fernsehstationen des Landes zunächst befohlen, nur Berichte von Xinhua zu verwenden. Diese Order war allerdings ignoriert worden: Anstatt zu warten, bis die üblichen Bilder heroischer und patriotischer Rettungstrupps und dankbarer Untertanen freigegeben wurden, berichteten Reporter auf eigene Faust über die Katastrophe. Auch ausländische Korrespondenten durften in das Unglücksgebiet.

Die Reportagen und Fotos lösten eine Welle der Sympathie und Hilfsbereitschaft aus. Spenden flossen reichlich, freiwillige Helfer eilten zu tausenden in die Region. Premierminister Wen Jiabao wurde zum beliebtesten Politiker Chinas, weil er sofort nach Sichuan geeilt war und die Rettungsaktionen koordinierte.

Die Offenheit hielt allerdings nicht lange vor: Bald stellte sich heraus, dass tausende Kinder in den Schulen Sichuans womöglich hätten gerettet werden können, wenn beim Bau der Unterrichtsgebäude nicht gepfuscht worden wäre. Verzweifelte Eltern und Lehrer forderten Aufklärung.

Um zu verhindern, dass sich die Dankbarkeit nun in Zorn gegen die Behörden verwandelte, griffen Polizei und Zensoren wieder zu ihren alten Methoden: Das Thema Korruption beim Schulbau ist bis heute tabu. Eltern und Bürgerrechtler, die dennoch keine Ruhe gaben, riskierten, ins Gefängnis geworfen zu werden. Auch Journalisten werden wieder Steine in den Weg gelegt.

Sorgfältig beobachtet die Regierung nun die Reaktionen auf das gestrige Beben in der vorwiegend von Tibetern bewohnten Region. Sie muss sich besonders fürsorglich zeigen, um zu verhindern, dass die Bevölkerung erneut in Unruhe gerät. Im Internet tauchten bereits Fragen nach der Qualität der Schulgebäude von Yushu auf. JUTTA LIETSCH