„Auch faire Weine müssen schmecken“

GESCHMACK Winzer müssen sich global behaupten. Deshalb sind faire Standards auch dort angesagt

VON MICHAEL PÖPPL

War es noch vor 20 Jahren etwas ganz Besonderes, einen Wein aus Übersee zu probieren, finden sich heute Chardonnay oder Merlot aus Südafrika, Argentinien oder Chile in jedem Supermarkt. Aber muss man überhaupt Weine nach Deutschland importieren? Dazu noch aus Übersee? Darüber kann man sich streiten. Schließlich ist Deutschland eines der größten Weinbauländer der Welt. Doch, da sind sich fast alle Experten einig, beim Weingeschmack kommt es immer aufs Terroir, also die Bodenbeschaffenheit an.

Eine Entscheidungshilfe für bewusste Käufer von Übersee-Weinen ist das Fairtrade-Siegel, das seit einigen Jahren auch auf Weinflaschen klebt. Kristin Rademacher ist Produktmanagerin für Fairtrade in Köln. Sie ist für die Zertifizierung von Rohstoffen wie Kakao und Zucker, aber auch für Weine verantwortlich: „Zuallererst sind einmal die grundsätzlichen Faktoren wichtig. Bekommen die Kooperativen stabile und existenzsichernde Mindestpreise? Stimmen die Löhne und arbeitsrechtlichen Standards auf den großen Plantagen? Stimmen die ökologischen Standards, wird nachhaltig gewirtschaftet?“

In Südafrika zum Beispiel bestimmen vor allem große Farmen, die viele, meist schwarze Arbeiter beschäftigen, das Weingeschäft. Ein Fairtrade-Projekt ist „Fair Hills“ in Südafrika, wo sich 22 Kleinfarmer der Western-Cape-Region zusammengeschlossen haben. Sie ernten, produzieren und vermarkten ihren Wein gemeinsam unter dem Fairtrade-Siegel und schaffen inzwischen 250 Arbeitsplätze. Die Löhne der Arbeiterinnen und Arbeiter sind seit der Gründung der Kooperative um beinahe 50 Prozent gestiegen, genug, um den Lebensunterhalt zu bestreiten und sich zusätzliche Dinge des Alltags leisten zu können. Die Fairtrade-Prämie, die die Organisation an die Kooperativen zahlt, wird gemeinsam verwaltet und demokratisch eingesetzt: Das „Fair Hills“-Komitee organisierte zuerst einmal eine Kinderbetreuung, die arbeitende Mütter entlastet, später eine Abendschule, eine Bibliothek, einen Jugendclub und Computerkurse.

Jede Wein-Kooperative und jede Plantage wird regelmäßig überprüft, so Kristin Rademacher: „Es gibt sowohl angekündigte als auch nicht angekündigte Audits vor Ort durch FLO-Certs, eine unabhängige Zertifizierungsorganisation. Die strikten Kontrollen bringen nicht nur den Verbrauchern Sicherheit, sondern stärken auf Dauer auch die Fairtrade-Standards.“

Weinprobe aus dem Karton

Der Weinimporteur Klaus Potthoff vertreibt schon seit über zehn Jahren faire Weine aus der südlichen Hemisphäre. Tochter Anja engagierte sich Anfang der 2000er in sozialen Projekten in Argentinien: „Als wir sie besuchten, sah ich den krassen Gegensatz der schicken Weingüter mit den Granitfassaden und den schäbigen Behausungen der Arbeiter“, sagt Potthoff, der vorher mit Weinen aus ganz Europa handelte. Unter dem Label „Fairwein“ arbeitet er nun vor allem mit kleinen Winzern zusammen. Einer von ihnen ist der Argentinier Manuel Valdez, der sich jetzt erst vor Kurzem das Fairtrade-Zertifikat hat bestätigen lassen. „Die Finca Algarve liefert schon seit Jahren gute Weinqualität, das passt deshalb auch hervorragend in unser Konzept“, sagt der Importeur. „Auch faire Weine müssen gut schmecken.“ Der Betrieb, den Valdez zusammen mit seinen Brüdern führt, beschäftigt zehn feste Arbeiter, die immer schon gut behandelt und bezahlt wurden, wie Potthoff erzählt: „Unbedingt notwendig wäre ein Zertifikat also nicht gewesen. Wir konnten die Familie Valdez aber überzeugen, dass ihnen das letztendlich Vorteile bringt.“

Wichtig ist dem Importeur, die Verbraucher direkt zu erreichen. Seine Weine aus Südafrika und Südamerika bekommt man nur in den Weltläden oder direkt bei ihm: bei Weinproben in Hamburg, Berlin und Dresden, oder beim Abholfest im heimischen Boksee bei Kiel. Dort wird der Wein nur kartonweise verkauft und direkt bezahlt. Das garantiert den fairen Winzern feste Umsätze, von denen 5 Prozent des Nettoverkaufspreises wieder in soziale Projekte fließen – und den Weinfans einige ganz besondere faire Tropfen.

www.fairtrade-deutschland.de www.fairwein.de