oliver kahn
: Kurzarbeiter sucht WM-Vollzeitstelle

Es lief von Anfang an nicht gut für Oliver Kahn. Ging schon vorm Anpfiff los: Beim Einmarsch Richtung Anstoßkreis legte Kapitänskollege Podolski einen derart entschlossenen Geschwindschritt vor, dass Kahn kaum hinterher kam. Nach Wasser und Brot sieht das aus, wenn der bald 37-Jährige mit den tiefen Furchen im Gesicht samstagnachmittags zur Arbeit geht. Vorfreude? Nichts zu sehen. Das Einzige, was Kahn an diesem Spieltag, seinem 494. in der Bundesliga, gewann, war die Platzwahl. Ansonsten ging einiges schief. Ein deutscher Sportsender stellte nach dem 2:2 gegen Köln die Frage: „WM-Aus für Kahn?“

Auch die Partie gegen das Schlusslicht muss Kahn unter Kurzarbeit verbuchen: Vergangene Woche in Duisburg war nach zwölf Minuten Schluss, diesmal quält er sich bis zur Halbzeit. Nach zwölf Minuten fliegt er unter einer Podolski-Flanke hindurch: 0:1. Zwei Minuten später umkurvt ihn schon wieder dieser Podolski, Kollege Lahm verhindert zwar mehr oder weniger regelkonform das 0:2, doch Kahn fällt in der aufregenden Hatz nach dem Ball so zu Boden, dass eine im USA-Länderspiel erlittene Rippenverletzung aufbricht. In Minute 36 schießt Albert Streit aus 20 Metern aufs Tor: stramm, aber unplatziert. Der Ball rauscht an den verzweifelt ausgestreckten Fangarmen vorbei – nun nimmt sie wieder Fahrt auf, die Torwartdiskussion.

Zur zweiten Halbzeit kommt Michael Rensing aufs Feld, Kahn bekommt das Ende des Spiels nicht mehr mit: Zehn Minuten vor Abpfiff erwischen ihn die Reporter samt Toilettenbeutel auf dem Heimweg. Kahn sagt: „Vielleicht setze ich mich zu sehr unter Druck. Ich muss mehr auf meinen Körper hören und nur dann spielen, wenn ich 1.000-prozentig fit bin.“ So sehen das auch Trainer (Magath: „Es macht wenig Sinn, jemanden aufzustellen, wenn er nicht fit ist“) und Mannschaftskollegen (Sagnol: „Man sollte nur spielen, wenn man 100 Prozent fit ist“). Manager Hoeneß darf sogar sagen, dass Kahn „überehrgeizig gehandelt hat“. Wer daran schuld ist, weiß er auch: „Mit Sicherheit hätte er nicht gespielt, wenn die Torwart-Entscheidung klar gewesen wäre. Wenn man das jetzt jede Woche so weiterführt, dann hat er am Ende gar keinen Torwart, dann ist das Chaos perfekt.“

THOMAS BECKER