Der Triumph der Rechten

WAHLANALYSE Der konservative Expremier Viktor Orbán kehrt an die Macht zurück. Die regierenden Sozialisten wurden abgestraft

■ Nicht nur in Ungarn konnten in jüngster Zeit rechtsextreme Parteien größere Wahlerfolge verbuchen.

Italien: Bei den Regionalwahlen im März kam die rechtsextreme Lega Nord von Umberto Bossi landesweit auf 12,7 Prozent. In Venezien lief sie mit 35 Prozent der Stimmen sogar Berlusconis rechtspopulistischer PDL den ersten Rang ab. In der Lombardei steigerte die Lega ihren Stimmenanteil von 10 auf 26 Prozent. Im Piemont und im Veneto stellt die Lega erstmals auch die Regionalpräsidenten.

Frankreich: Auch wenn die konservative UMP von Präsident Nicolas Sarkozy bei den Regionalwahlen im März große Verluste einstecken musste, konnte sich der rechtsextreme Front National behaupten. Im zweiten Wahldurchgang erreichte er in den Regionen, in denen er antrat, 17,8 Prozent. Parteichef Jean-Marie Le Pen erzielte an der Côte d’Azur knapp 23 Prozent, seine Tochter Marine im Pas de Calais fast genauso viel.

Niederlande: Die rechtspopulistische PVV von Geert Wilders ist 2009 erstmals bei den Europawahlen angetreten und mit ihrem islamfeindlichen Programm auf Anhieb zweitstärkste Kraft geworden. Bei den Kommunalwahlen in diesem Frühjahr kandidierte sie in Almere, wo sie die meisten Stimmen erhielt, sowie in Den Haag. Hier wurde die PVV zweitstärkste Kraft. Im Juni finden Parlamentswahlen statt. (sei)

VON RALF LEONHARD

Keiner kann von Überraschung sprechen. Die erste Runde der ungarischen Parlamentswahlen ist so ausgegangen, wie die Demoskopen prophezeit hatten und wie es die Stimmung im Land erwarten ließ. Expremier Viktor Orbán mit seiner rechtspopulistischen Fidesz kehrt nach acht Jahren triumphal in seine alten Amtsräume zurück. Ausgestattet mit einer absoluten Mehrheit von derzeit 52,76 Prozent, wird er ohne Koalition und ohne Kompromisse regieren können.

Die bis jetzt regierenden Sozialisten gingen beim Wahlgang erwartungsgemäß unter. Der erst 36-jährige, weitgehend unbekannte Spitzenkandidat der Sozialisten, Attila Mesterházy, konnte einen Absturz der MSZP von rund 43 Prozent auf 19,3 Prozent nicht verhindern. Die für die Sozialisten größte anzunehmende Katastrophe, ein Zurückfallen hinter die rechtsextreme Jobbik, blieb nur knapp aus. Jobbik kann mit 16,7 Prozent rechnen. Die grün-alternative Reformpartei „Politik kann anders sein“ (LMP) landete bei ihrem ersten Antreten einen Achtungserfolg und wird mit 7,43 Prozent als vierte Kraft ins Parlament einziehen. In Budapest, wo die linksliberale Klientel besonders groß ist, erreichte die LMP in manchen Wahlkreisen über 13 Prozent.

Der Wahlabend selbst verlief chaotisch, vor allem in der Hauptstadt Budapest. Viele Lokale konnten nicht wie vorgesehen um 19 Uhr schließen, da sich vor der Tür lange Schlangen von Wahlberechtigten gebildet hatten und der Wahlrat die Abstimmungsfrist daraufhin verlängerte. Der Andrang war in bestimmten Lokalen besonders groß, weil zahlreiche Wahlkartenwähler ihre Stimme nicht in beliebigen Wahllokalen abgeben konnten. Fidesz forderte den Rücktritt der Wahlleitung.

Sozialisten-Parteichefin Ildikó Lendvai wiederum verdächtigte Fidesz, mit Wählern aus fremden Wahlkreisen den Urnengang manipuliert zu haben, und kündigte eine Anfechtung an, was aber am Montagmorgen von der Partei relativiert wurde. Erste brauchbare Auszählungen lagen erst nach 22 Uhr vor. Der Trend war aber schon vorher eindeutig, und die von Fidesz an die Presse verschickten internen Wahlprognosen kamen dem Endergebnis relativ nahe.

Der zweite Wahlgang am 25. April verspricht keine großen Verschiebungen. In den 55 Wahlkreisen, in denen kein Kandidat eine absolute Mehrheit erreichen konnte, wird es eine Stichwahl zwischen den drei Bestplatzierten geben. Allerdings hat Fidesz in 53 dieser Wahlkreise die Nase vorn und wird wohl die Zweidrittelmehrheit an Mandaten schaffen, was durch die Wahlarithmetik erleichtert wird.

Während Fidesz vor allem in den industrialisierten Komitaten nahe der österreichischen Grenze überdurchschnittlichen Zuspruch erhielt, konnte Jobbik in den strukturschwachen Wahlkreisen im Osten und Norden punkten, wo Armut und Arbeitslosigkeit die Radikalisierung fördern.

Premier Gordon Bajnai übermittelte dem Sieger noch in der Nacht seine Glückwünsche, der Verlierer Attila Mesterházy appellierte an Orbán, den Wahlsieg „im Interesse der Nation zu nutzen und nicht zu deren Spaltung“. Fidesz hatte in den letzten Jahren durch Fundamentalopposition alle Reformprojekte der Sozialisten torpediert und dadurch sowohl zu deren Abstieg in der Wählergunst als auch zu einer Vertiefung der Krise beigetragen.

In Budapest verlief der Wahlabend chaotisch

Die MSZP hat durch zahlreiche Korruptionsaffären den eigenen Popularitätsverlust jedoch auch mitverschuldet.

Viktor Orbán, der in seiner populistischen Rhetorik viele teure Wohltaten versprochen hat, wird sich nach Einschätzung von Politologen zum moderaten Politiker mausern. Wirtschaftspolitisch wird er die Sanierungspolitik fortsetzen müssen, mit der sein sozialistischer Vorgänger Gordon Bajnai den drohenden Staatsbankrott abwenden konnte. Dass er wandlungsfähig ist, hat der 46-jährige Calvinist schon wiederholt bewiesen. Er war 1988 als Jurastudent bereits Mitbegründer des Bundes junger Demokraten (Fidesz), der damals liberal orientiert war und bei der Wende eine wichtige Rolle spielte. Orbán führte die Partei dann aber nach rechts und würzte seine Rhetorik mit nationalistischen Parolen, die auch den Aufstieg der rechtsextremen Jobbik begünstigt haben dürften.

Da weder die versprochenen Arbeitsplätze plötzlich aus dem Nichts auftauchen dürften noch verborgene Geldquellen auf die Regierung warten, aus denen die teuren Wahlversprechen zu finanzieren sind, könnte Orbán erste Akzente in Bereichen setzen, in denen sie ihn nichts kosten. Sein Versprechen, kein ungarisches Ackerland an Ausländer zu verkaufen, wird an den Regeln der EU scheitern, könnte aber auf EU-Ausländer beschränkt werden. Auch der Plan, die ethnischen Ungarn in den Nachbarländern mit ungarischen Pässen auszustatten, dürfte in Brüssel nicht goutiert werden. Die Beziehungen zur Slowakei, wo die Ungarn die größte Minderheit stellen, sind jetzt schon gespannt. Wenn Ungarn im Januar 2011 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, steht Orbán ein politischer Drahtseilakt bevor.