Kenias Vizepräsident vor dem Weltgericht

JUSTIZ Internationaler Strafgerichtshof eröffnet ersten Prozess gegen einen amtierenden Politiker. Kenia will zugleich aus dem Statut des Gerichtshofs austreten. Unterstützung kommt von Uganda und Sudan

BERLIN taz | Ein neues Kapitel beginnt in der Geschichte des Internationalen Strafgerichtshofs. Zum ersten Mal steht in Den Haag kein verhafteter Warlord aus der Demokratischen Republik Kongo vor Gericht, sondern ein amtierender Politiker aus einem eigentlich funktionierenden Staat. Kenias Vizepräsident Wiliam Ruto muss sich seit Dienstag vor dem Weltgericht wegen des Organisierens von politischer Gewalt verantworten. Er ist freiwillig erschienen und bleibt auf freiem Fuß.

Ruto und sein Mitangeklagter Joshua Arap Sang seien verantwortlich für eine „sorgfältig geplante, koordinierte und ausgeführte Gewaltkampagne“ nach Kenias Wahlen 2007 gewesen, so die Anklage. Es sei Ruto darum gegangen, „mit gewaltsamen Mitteln die politische Macht für sich und seine Partei zu ergreifen“ und „die ethnische Zusammensetzung des Rift Valleys permanent zu ändern, um seine Machtbasis zu konsolidieren“.

Chefanklägerin Fatou Bensouda betonte, es gehe nicht um „Einmischung in afrikanische Angelegenheiten“, sondern um das Ende von Straflosigkeit. Bensouda kommt aus dem westafrikanischen Gambia. Sie beklagte, es gebe in Kenia Versuche, Zeugen einzuschüchtern.

Es sind die gespannten Beziehungen zwischen Kenia und dem Gerichtshof und nicht so sehr die einzelnen Punkte der Anklage gegen Ruto und der ab November zu verhandelnden Parallelanklage gegen Kenias Präsidenten Uhuru Kenyatta, die diesen Prozess besonders brisant machen. Auf Betreiben der Regierungskoalition stimmte Kenias Parlament am Donnerstag in einer Sondersitzung für einen Austritt aus dem Römischen Statut des Strafgerichtshofs.

Der Austritt bedarf noch eines zweiten Votums und würde laufende Verfahren nicht betreffen, aber er sieht ein sofortiges Ende der Zusammenarbeit zwischen Kenias Behörden und Den Haag vor. Es wachsen nun Zweifel daran, ob Zeugen in Kenia effektiv geschützt werden können.

Kenia ist mit seiner Kritik an Den Haag nicht allein in Afrika. Ugandas Regierung hat das kenianische Votum begrüßt und erwägt angeblich einen ähnlichen Schritt – der Strafgerichtshof ermittelt gegen den flüchtigen ugandischen Rebellenführer Joseph Kony und sein Umfeld. Sudan, dessen Präsident Omar Hassan al-Bashir unter dem Vorwurf des Völkermordes in Darfur von Den Haag mit Haftbefehl gesucht wird, hat einen Sondergipfel der Afrikanischen Union (AU) vorgeschlagen, um einen kollektiven Austritt Afrikas aus dem Rom-Statut zu beschließen. Dies sei auf dem Regionalgipfel der ICGLR (Internationale Konferenz der Region der Großen Seen) in Uganda am Freitag diskutiert worden, sagte der sudanesische Diplomat Abdulmahmud Abdulhalim. DOMINIC JOHNSON