Drei Tote bei Protesten in Diyarbakir

Im kurdischen Südosten der Türkei werden bei einem Aufstand von Jugendlichen 250 Menschen verletzt. Die Unruhen brachen nach einer Beerdigung von getöteten PKK-Kämpfern aus. Die Regierung macht einen Exilsender in Dänemark verantwortlich

AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH

Zwei Tage lang tobte in Diyarbakir der Aufstand, dann rückte das Militär ein. Seit gestern herrscht in der größten Stadt im kurdisch besiedelten Südosten der Türkei wieder gespenstische Ruhe. Auslöser für die Unruhen nur eine Woche nach einem überwiegend friedlichen Newroz Fest, bei dem mehrere hunderttausend Menschen versammelt waren, war die Beerdigung von vier PKK-Kämpfern, die am Wochenende zusammen mit zehn weiteren PKKlern bei Gefechten mit der Armee getötet wurden.

Der Aufruhr brach am Dienstagnachmittag unmittelbar nach dem Begräbnis ziemlich unvermittelt aus. Die Bilder glichen verblüffend denen, die sonst aus Gaza oder Städten der Westjordanland über die Fernsehschirme flimmern. Hunderte von Jugendlichen griffen die Polizei mit Steinen, Schleudern und Molotowcocktails an und demolierten anschließend die gesamte Innenstadt von Diyarbakir. Die Polizei war zunächst völlig überrascht und musste sich zurückziehen, bis sie dann mit Wasserwerfern erneut anrückte.

Trotz über hundert Festnahmen gelang es der Polizei jedoch nicht, die Randale zu stoppen. Am Mittwoch rückte zunächst Polizeiverstärkung aus den umliegenden Städten an und als auch das nichts nutzte, ließ am Abend die Armee Schützenpanzer auffahren. Damit griffen erstmals nach der endgültigen Aufhebung des Ausnahmezustands vor drei Jahren wieder reguläre Armeeeinheiten in Auseinandersetzungen in der Stadt ein. Beobachter sprachen von den heftigsten Straßenkämpfen seit über zehn Jahren.

Die offizielle Politik machte für die Eskalation in Diyarbakir hauptsächlich den kurdischen Fernsehkanal Roj-TV, der von Kopenhagen aus sendet, verantwortlich. Über den der PKK nahe stehenden Kanal, der überall in Diyarbakir über Satellit empfangen wird, seien die Jugendlichen aufgestachelt und aufgehetzt worden. Die türkische Regierung drängt seit längerem in Kopenhagen darauf, dass dem Fernsehen der „Terrororganisation PKK“ die Lizenz entzogen wird, was der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen bislang verweigert.

Gestern zogen die Behörden eine erste Bilanz des Aufstands. Drei Menschen, so bestätigte der Gouverneur von Diyarbakir, seien getötet und 250 verletzt worden, darunter 130 Polizisten. Rund 200 Leute wurden festgenommen. Der Bürgermeister von Diyarbakir, Osman Baydemir, Mitglied der kurdischen Partei DTP, sagte, so lange die kurdische Frage nicht gelöst sei, könnten in der Türkei keine stabilen demokratischen Verhältnisse entstehen. Die bislang durchgeführten Reformen seien zu wenig substanziell und kämen zu langsam.

Erst in der letzten Woche hatten zwei lokale kurdische Fernsehsender nach jahrelangen Hin und Her die Erlaubnis bekommen, auf Sendung zu gehen. Allerdings dürfen sie täglich nur eine gute Stunde in kurdischer Sprache senden, weshalb sie nicht ernsthaft mit Roj-TV werden konkurrieren können.