FINANZIERT MIT US-DOLLARS
: Eine Fatwa gegen das Rauchen

Jährlich sterben rund 400.000 Indonesier an Krankheiten, die durch Rauchen verursacht werden

VON ANETT KELLER

Er ist aus Indonesien nicht wegzudenken, der süßliche Geruch von Nelkenzigaretten, hierzulande kretek genannt. Allenthalben wabert er durch die Luft. Man entkommt ihm praktisch nie. Und das hat natürlich seinen Grund. Die Zigarettenindustrie verzeichnet in Indonesien ein stetiges Wachstum. Wurden 2002 noch 222 Milliarden Zigaretten produziert, waren es 2009 bereits 245 Milliarden. Nur 5 Prozent davon werden exportiert. Der Rest wird im Land ver(b)raucht, vor allem von Männern. 60 Prozent der Indonesier rauchen, aber nur 5 Prozent der Indonesierinnen. Weltweit steht das Land in puncto Zigarettenkonsum an fünfter Stelle.

Damit soll nun Schluss sein, glaubt man Muhammadiyah, der zweitgrößten muslimischen Massenbewegung im Land. Muhammadiyah betreibt rund 5.000 Schulen und mehr als 400 Universitäten in Indonesien. In einer Fatwa deklarierte die Organisation Anfang März das Rauchen als haram, also verboten. Selbstmord sei im Islam schließlich auch nicht erlaubt, so die Begründung.

85 Prozent der rund 240 Millionen Indonesier sind Muslime. Dass möglichst viele von ihnen der Fatwa folgen, wäre dringend geboten. Jährlich sterben rund 400.000 Indonesier an Krankheiten, die durch Rauchen verursacht werden. Auch für die Armutsbekämpfung wäre Nichtrauchen hilfreich. Studien zufolge macht das Zigarettengeld knapp 12 Prozent der Gesamtausgaben armer Familien aus und rangiert damit an zweiter Stelle hinter den Ausgaben für Reis. Von Gesundheitsbewegten und Armutsbekämpfern hat die Fatwa daher viel Zuspruch erfahren.

Ganz anders sieht das dagegen beim Finanzministerium aus, das sich um seine Steuern sorgt. Und natürlich auch aus der Sicht von Tabakunternehmen, die sich darauf berufen, Millionen von Tabakbauern und Fabrikarbeitern in Lohn und Brot zu halten. Wie praktisch war es da, die gerade in Fahrt gekommene Antirauchkampagne gehörig zu drosseln. Denn die Fatwa hatte ein Gschmäckle. Den strengen Hütern des islamischen Glaubens soll ihre qualmfreie Agenda nämlich ausgerechnet von einer amerikanischen Organisation eingeflüstert worden sein. Wie findige Rechercheure schnell herausbekamen, erhielt Muhammadiyah rund 400.000 Dollar von der globalen Antitabakkampagne des New Yorker Bürgermeisters Michael Bloomberg (tobaccocontrolgrants.org).

Verglichen mit den Gewinnen der Tabakindustrie eine lächerliche Summe. Die reichsten Indonesier auf der gerade veröffentlichten Liste des Forbes Magazine sind die Hartono-Brüder, denen Djarum, eines der größten hiesigen Zigarettenimperien gehört. Ihr Besitz wird auf 7 Milliarden Dollar geschätzt.