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SUDAN Ein Kriegsverbrecher muss als Präsident bestätigt werden, damit sich das Land friedlich zerlegen kann

Wann: Vom 11. bis 13. April finden im Sudan die ersten allgemeinen Wahlen seit 1986 statt. Gewählt werden Präsident und Parlament auf nationaler Ebene, zusätzlich für die Autonomieregierung des Südsudan und für die verschiedenen Bundesstaaten.

Wer: Präsident Omar Hassan al-Baschir gilt als sicherer Wahlsieger – auch weil sich fast alle Herausforderer mittlerweile aus dem Rennen zurückgezogen haben.

VON DOMINIC JOHNSON

Sudan liegt geografisch zwischen dem Kongo und Saudi-Arabien. Und wenn die Sudanesen vom 11. bis 13. April zur ersten nominell freien Wahl seit einer Generation aufgerufen sind, befinden sie sich auch politisch zwischen diesen Extremen von Instabilität und Stillstand. Es steht außer Frage, dass Präsident Omar al-Bashir, der sich vor 21 Jahren an die Macht putschte, jetzt erstmals demokratisch bestätigt wird. Zugleich ist dies Sudans letzte Wahl, denn nächstes Jahr soll das Land in seiner gegenwärtigen Form aufhören zu existieren. Dies ist ein riskantes politisches Spiel.

Dass jetzt in Sudan überhaupt gewählt wird, ist dem Friedensabkommen von 2005 zu verdanken. Damals setzten Regierung und die Südsudan-Guerilla SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) einen Schlussstrich unter einen jahrzehntelangen Bürgerkrieg. Mit einer kurzen Unterbrechung seit der Unabhängigkeit des Landes von 1956 hatte der mehrheitlich schwarzafrikanische und nicht-muslimische Südsudan gegen seine Marginalisierung durch die arabisch-islamische Elite im nördlichen Khartum gekämpft. Der Preis dafür waren zuletzt mehrere Millionen Tote und Vertriebene. Das Friedensabkommen besagte nun, dass die SPLA in Südsudan eine Autonomieregierung bildet und zugleich in die Zentralregierung unter Präsident Bashir in der Hauptstadt Khartum eintritt. Nach vier Jahren sollten demokratische Wahlen stattfinden, nach sechs Jahren ein Referendum im Südsudan über die staatliche Unabhängigkeit.

Das Friedensabkommen blendete vieles aus. So sind Sudans innere Konflikte vielfältiger als der Krieg zwischen Nord und Süd. In Darfur im Westen des Landes tobte schon 2005 ein brutaler Vernichtungskrieg mit Hunderttausenden Opfern. Er erregte international viel mehr Aufmerksamkeit als das Elend im Südsudan. Sudans Präsident Bashir wurde letztes Jahr der erste amtierende Staatschef der Welt, gegen den der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl erlassen hat – wegen Darfur. Zugleich klammerte das Friedensabkommen wesentliche Fragen aus, etwa die genauen Grenzen Südsudans.

Demokraten bleiben auf der Strecke

All dies hat die politischen Fronten im Sudan verhärtet. Irgendetwas musste bei der Umsetzung des Friedensprozesses auf der Strecke bleiben: entweder die Demokratisierung des Landes oder seine friedliche Aufteilung. Eine Möglichkeit: Es gibt wirklich freie Wahlen und Bashir verliert – aber dann würde sein Apparat nicht auch noch den dauerhaften Verlust des Südens akzeptieren. Die andere Möglichkeit: Der Südsudan darf sich abspalten – dann aber würde Bashir nicht hinnehmen, auch in Khartum die Macht einzubüßen.

Der Lauf der Dinge führt nun zur zweiten Variante. Es wird gewählt, aber nur pro forma; die südsudanesische SPLA verzichtet darauf, Bashir in Khartum herauszufordern, und sichert sich die Macht im Süden. Umgekehrt lässt Bashir die SPLA im Süden gewähren; dafür darf er die Wahl im Norden als Farce gestalten. In Nord und Süd etablieren sich zwei stabile Diktaturen. Sudans Demokraten bleiben auf der Strecke.

Aber Sudans Politik ist verlogen und deshalb unberechenbar. Bloß weil die SPLA 2010 Bashir im Amt hält, überlässt der ihr den Süden 2011 noch lange nicht kampflos. Die meisten politischen Akteure bereiten sich auf neue Waffengänge vor: Es wird aufgerüstet, der Aufbau von Milizen vorbereitet. Für Khartums Establishment ist die Beherrschung des nichtarabischen Südens Teil der Staatsräson – der einzige Grund, warum Sudan ein eigener Staat ist und nicht mehr wie früher eine Provinz Ägyptens. Spaltet sich der Süden ab, wird er sich Ostafrika zuwenden: Uganda, Kenia, Äthiopien. Der Nordsudan bleibt nur als Transitland wichtig, durch das Ölpipelines laufen. Rumpfsudan wird sich im Phantomschmerz wälzen, so wie Russland oder Serbien nach dem Ende der Sowjetunion und Jugoslawiens. Und dieser Schmerz dürfte sich vor allem militärisch äußern.

Solche Sezessionsprozesse gehen selten gut, vor allem in diesem Teil der Welt. Die Abspaltung Eritreas von Äthiopien 1992 verlief erst friedlich, führte aber acht Jahre später zu einem blutigen Bruderkrieg mit 70.000 Toten. Somalia hat sich nie davon erholt, dass nach dem Sturz seines letzten Militärdiktators 1991 ein Teil der siegreichen Rebellen die Nordhälfte des Landes als eigenen Staat ausrief, die Republik Somaliland, die anders als der Rest Somalias seither stabil geblieben ist, aber international nicht anerkannt wird.

Anders als Eritrea und Somaliland, die immerhin einst eigene Kolonialgebiete waren, kann Südsudan sich nicht mit Verweis auf verschüttete koloniale Grenzen legitimieren. Es wäre eine komplette Neugründung, die das heilige afrikanische Prinzip der Unantastbarkeit kolonialer Grenzen durchbricht. Gelingt das, steht auch der Zusammenhalt anderer afrikanischer Vielvölkerstaaten zur Disposition.

Insofern kommt Sudans Wahl, von deren Verlauf die künftige Aufteilung Sudans abhängt, doch eine historische Bedeutung zu. Obwohl sie eigentlich bloß einen gesuchten Kriegsverbrecher im Amt legitimiert.