Wettfieber im Wrangelkiez

In einem Kreuzberger Wettbüro setzt man auf Pferde, italienische Regionalkicker oder finnische Eishockeyteams. Großes Geld machen die Zocker damit kaum: „Je ärmer die Leute, desto mehr wetten sie“, sagt die Angestellte

Zwischen China-Restaurant und Afro-Caribbean-Shop in der multikulturellen Oppelner Straße in Kreuzberg wartet Mega-bet Sportwetten, eines der neuesten Wettbüros in Berlin, auf Zocker. Über der Tür hängen noch weiße und blaue Luftballons, Überreste von der Eröffnungsfeier am vergangenen Samstag. Drinnen können Waghalsige auf die Tennisprofis Roger Federer oder Maria Sharapova als Gewinner der ATP Nasdaq-100 Open in Miami setzen oder auf den Gewinner des Spiels Juve Stabia gegen Grosseto in der Italienischen Serie C. Wer weniger Geduld hat, kann alle fünf Minuten bei Hunde- und Pferderennen wetten, die auf einem Großbildschirm übertragen werden. Mindesteinsatz: 1 Euro. Bei diesem Einsatz kann man bis zu 5 Euro gewinnen – wenn der Letztplatzierte siegt.

Eine anderer Fernseher zeigt türkische Sportsendungen. „Das ist so, weil wir neunzig Prozent türkische Kunden haben“, sagt Uljana Martschuk, die in der Filiale arbeitet, „vielleicht sogar fünfundneunzig Prozent.“ Und: „Je ärmer die Leute sind, desto mehr wetten sie. Viele machen es, weil sie Geld brauchen, nicht in erster Linie, weil es ihnen Spaß macht.“ Das erklärt auch, warum neben den Spielen der deutschen Bundesliga auch die türkische Süper Lig so populär bei den Kunden ist.

Mega-bet ist eine internationale Franchise-Kette, allein in Berlin gibt es bereits 28 Filialen. Der Hauptsitz des Unternehmens befindet sich in Österreich, erklärt ein Mega-bet-Vertreter, der gerade die neuen Wetttabellen vorbeibringt. „Dort ist das Geschäft legal. Durch den europäischen Binnenmarkt können die Leute hier zahlen, aber in Österreich wetten.“ Er hat schon davon gehört, dass das Bundesverfassungsgericht gestern entschieden hat, dass auch in Deutschland das staatliche Monopol auf Sportwetten verfassungswidrig sei. „Gut für uns“, kommentiert er.

Einige Kunden sitzen am Tisch und trinken eine Cola, während sie die Wetttabellen gründlich studieren. Aber die meisten kommen nur herein, nehmen die Papiere mit und gehen wieder. „Sie wollen sich zu Hause in Ruhe entscheiden“, erklärt Uljana Martschuk, die sich nach eigener Auskunft nicht für Sport interessiert. „Abends gibt es die meisten Kunden. Es sind fast alles Männer, die tagsüber arbeiten.“

Trotz des Andrangs hat das neue Geschäft in den ersten Tagen noch nicht floriert. „Wir sind noch im Minus“, sagt Martschuk. Nicht nur Wetten ist ein Risikounternehmen, auch das Führen eines Wettbüros. Zum Beispiel wenn die Eishockeymannschaft aus dem finnischen Tampere in der kommenden Woche unerwartet gegen ihren gefürchteten Gegner Hameenlinna gewinnen sollte. Oder wenn Zenit St. Petersburg überraschend im Uefa-Cup-Finale siegt. „Überraschungen können uns viel Geld kosten“, sagt Uljana Martschuk.

MICHIEL HULSHOF