Putin weit weg von Obama

DIPLOMATIE Syrien wird den G-20-Gipfel in St. Petersburg dominieren. Eine Einigung Russlands mit den USA gilt als sehr unwahrscheinlich

MOSKAU taz | Die Dissonanz der beiden ehemaligen Supermächte USA und Russland im Syrienkonflikt hat einen Grad erreicht, der nicht einmal vor der Sitzordnung haltmacht. Damit Kremlchef Wladimir Putin und Präsident Barack Obama beim G-20-Gipel im russischen St. Petersburg nicht zu dicht nebeneinandersitzen, griff das Protokoll auf das englische Alphabet bei der Sitzverteilung zurück. Beim kyrillischen Alphabet des Gastgebers hätte nur der saudische König die Kontrahenten voneinander getrennt.

Am Mittwoch legte Wladimir Putin in einem Interview mit dem russischen Staats-TV Erster Kanal noch einmal seine Position in der Syrienfrage dar: Russland könne einem US-Militärschlag nur unter „zwei Bedingungen“ zustimmen: wenn die USA klare Beweise eines Giftgasangriffs der syrischen Regierung vorlegten und die Entscheidung im Rahmen des Sicherheitsrates getroffen werde. Der Kremlchef sagte viel, aber nichts Neues. Mit dem Interview appellierte der Kreml wohl vor allem an die Teilnehmer des Gipfels, sich in Sankt Petersburg vorrangig dieses Themas anzunehmen. Die wirtschaftliche Agenda dürfte nach Einschätzungen russischer Politiker auf dem Treffen in den Hintergrund treten.

Offiziell macht Russland die syrische Opposition für den Giftgasangriff verantwortlich. Der Umgang mit der Schuldzuweisung in Syrien sei vor allem eine Frage des Glaubens und Vertrauens, meint der Leiter des Moskauer Zentrums für Studien des Mittleren Ostens, Alexander Schumilin. Ein unwiderlegbarer Nachweis sei so gut wie ausgeschlossen. „Wenn ich es glauben will, glaube ich. Wenn nicht, lass ich es sein.“ Der Kreml werde von seiner Position nicht mehr abweichen, weil er eine Verantwortung des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad bereits als „ausgemachten Blödsinn“ gebrandmarkt hat. Moskaus Ängste sind real. Brächte ein US-Raketenangriff das Regime zu Fall, würde Moskau mit einem Schlag jenes Instrumentes beraubt, mit dem der Kreml das alte Supermacht-Image wiederherzustellen versucht. In Syrien befindet sich mit Tartus der letzte Marinestützpunkt Russlands im Mittelmeer. Unter dieser Prämisse sind alle Gesprächsangebote bloße Vernebelungstaktik.

„Es gibt nichts, worüber Obama und Putin sprechen könnten“, meint Fjodor Lukjanow, der Chefredakteur der außenpolitischen Zeitschrift Russlands Russia in Global Affairs. Keine Feindschaft, aber eine tiefe Entfremdung herrsche zwischen beiden Staaten. KLAUS-HELGE DONATH