Videosichtung vor dem rasenden Verfall

Düsseldorf zeigt ein aufwändiges Projekt der Bundeskulturstiftung: die flüchtigen Arbeiten der Videokunst sollen vor dem Verschwinden gerettet werden

AUS DÜSSELDORFKATJA BEHRENS

Im Keller des Düsseldorfer K21 stehen locker verstreut Sessel vor einzelnen Fernsehgeräten. Sie laden ein, in einer dem Wohnzimmer nachempfundenen Situation, Videoarbeiten auch im Fernsehformat anzuschauen. Zu den Klängen von Schumann, Bach und afrikanischen Rhythmen hat Marcel Odenbach in einer Collage Filmbilder montiert, die auf drei großen Monitoren die Strukturen und Bilder bürgerlich-westlichen Selbstverständnisses, von nationaler Geschichte und privater Erinnerung reflektieren. 1986 für das CAT (Contemporary Art Television Fund) in Boston entstanden, hat der Künstler in „As if memories could deceive me“ die Codes und Stereotype unserer persönlichen und nationalen Identität analysiert. Schon diese erste Zusammenarbeit mit dem Fernsehen blättert das breite Spektrum möglicher Umgangsweisen mit dem Medium auf, und verweist auf einen zentralen inhaltlichen Aspekt seiner Geschichte: Wie viele seiner Kollegen in jenen Jahren versteht der Künstler Video als ein in erster Linie politisches Instrument.

Das K 21 (die Kunstsammlung NRW fürs gleichnamige Jahrhundert) ist einer der fünf Austragungsorte des Projekts “40jahre videokunst.de“, das die Kulturstiftung des Bundes auf Initiative von Wulf Herzogenrath und Rudolf Frieling zu einem nationalen Anliegen gemacht hat. Es geht um die Sichtung und Bewahrung einer Kunstgattung, die wie kaum eine andere dem raschen Verfall und damit dem Verschwinden in Vergessenheit trotzen muss. Pathetisch gesprochen geht es natürlich um „die Bewahrung des kulturellen Erbes“. Videokunst ist eben hochempfindlich und hochgefährdet. Das Projekt also, an dessen vorläufigem Abschluss jetzt die fünfteilige Ausstellung steht, hat sich der Professionalisierung des Umgangs mit dem Medium Video verschrieben. Die Museen in Karlsruhe, Bremen, München und Leipzig konzentrieren sich auf jeweils andere Aspekte der Videogeschichte. Es geht um Rekonstruktion, Archivierung, Konservierung, Restaurierung, um die Produktions- und Präsentationsformen, um Inhalte und Formate, um technische Innovation und theoretische Reflexion. Die etwas befremdliche Dramatik, mit der die Verantwortlichen das Verlust-Szenario beschreiben, scheint gerechtfertigt – ist aber beim Eintauchen in die einzelnen Filme schnell vergessen.

Insgesamt 59 Einkanal-Videoarbeiten sind von einer Jury als repräsentativ ausgewählt worden. Würden alle Videobänder in Deutschland zerstört werden, hätten die Archäologen späterer Epochen zumindest einen Überblick über das Videofilm-Schaffen der letzten vier Jahrzehnte in Deutschland. Dazu nämlich könnte die Auswahl der DVDs dienen, die man im Museum an einzelnen Tischen und Monitoren wie in einer Bibliothek studieren kann. Hier findet sich etwa Ulrike Rosenbachs schöner Videofilm „Tanz für eine Frau“, die zu der Musik von Annunzio Paolo Mantovani den weiblichen Körper als mediales Ereignis feiert, letztlich aber Weiblichkeit als Projektionsfläche anbietet. Beim Durchwandern des Archivs stößt man auch auf einen Land Art-Film von Gerry Schum, der in seiner legendären Düsseldorfer Fernsehgalerie früh schon begonnen hatte, Videos zu machen und zu sammeln. Auf Filme von Beuys und Imi Knoebel, Alice Kreischer und Andreas Siekmann, von Jochen Gerz und natürlich Nam June Paik.

Die Ausstellung quer durch die Republik hat sich auch zum Ziel gesetzt, eine Anthologie der deutschen Videokunst zu bieten. In Düsseldorf werden ausschließlich die 1980er Jahre repräsentiert. Die Arbeiten von Robert Wilson oder Klaus vom Bruch etwa zeigen deutlich die Faszination, die die filmische Auseinandersetzung mit dem längst auch schon politisch und soziologisch psychoanalysierten und seines Zaubers beraubten Mediums Fernsehen noch haben kann. Mit viel Zeit gibt es in dieser wichtigen Präsentation viel zu entdecken.

Bis 21.Mai 2006Infos: 0211-8381600