Die USA sind verärgert über Karsai

DIPLOMATIE Die Regierung droht dem afghanischen Präsidenten indirekt mit einer Absage seines geplanten Washington-Besuchs Anfang nächster Woche. Grund ist seine Kritik an den westlichen Partnern

WASHINGTON taz | Seit der afghanische Präsident vor laufenden Kameras und 1.500 Stammesältesten „Widerstand“ gegen den Nato-Militäreinsatz in der Taliban-Hochburg Kandahar angekündigt und zugleich die Korruptionskritik an seinem Regime als „ausländische Einmischung“ kritisiert hat, stehen die Zeichen zwischen Washington und Kabul auf Sturm. Die US-Spitze erwägt sogar die Absage eines für den 12. Mai geplanten Gipfeltreffens zwischen Barack Obama und Hamid Karsai im Weißen Haus. „Vorher werden wir andauernde oder weitere Äußerungen von Präsident Karsai sicherlich daraufhin prüfen, ob ein solches Treffen konstruktiv ist“, sagte der Sprecher des Weißen Hauses Robert Gibbs am Dienstag in Washington.

Wenige Stunden nach einer Blitzvisite von US-Präsident Obama in Afghanistan hatte Karsai seinen „Widerstand“ angekündigt und sich deutlich von den ausländischen Verbündeten distanziert. Er sagte auch, der Westen habe seine Wiederwahl zum Präsidenten verhindern wollen. „Es gibt keinen Zweifel, dass es zahlreiche Wahlfälschungen gegeben hat“, meinte Karzai, „aber verantwortlich für diesen Betrug sind nicht Afghanen, sondern Ausländer.“ Bei seinem Auftritt erklärte er weiter, dass seine ausländischen Verbündeten sowohl sein Parlament als auch ihn „schwächen“ wollten. Zugleich hinterfragte er die Rolle der ausländischen Truppen in seinem Land. „In einer solchen Situation ist der Unterschied zwischen einer Kooperation und einer ausländischen Invasion hauchdünn“, sagte Karsai.

In Washington nannte Obamas Sprecher die Erklärung „irritierend“, „verwirrend“ und „nicht wahrheitsgemäß“. Gibbs sagte: „Wir erwarten eine Erklärung.“ Die USA haben Karsai wiederholt Korruption und Vetternwirtschaft vorgeworfen. Zuletzt hatte Obama den afghanischen Präsidenten bei seinem Blitzbesuch aufgefordert, die Korruption entschieden zu bekämpfen.

Mehr als 120.000 westliche SoldatInnen sind in Afghanistan im Einsatz, darunter mehr als 80.000 US-AmerikanerInnen. Gibbs spricht von ihrem „bemerkenswerten Einsatz“ und ihrem „Opfer für die Sicherheit in dem gefährlichen Land“. Gibbs präzisiert, dass er sich „niemanden“ in den USA vorstellen könne, der vor diesem Hintergrund die Erklärungen von Karsai nicht irritierend fände. Der demokratische Abgeordnete Gary Ackermann, Vorsitzender eines parlamentarischen Afghanistan-Komitees, spricht von einer Beziehung, die im Augenblick „nicht besonders erfreulich“ sei. Zugleich stellt der US-Politiker fest, dass Karsais Popularität in Afghanistan in dem Maße steige, in dem er „auf uns eindrischt“.

Nach den verärgerten Äußerungen aus Washington ruderte die Regierung in Kabul am Mittwoch zurück. Karsai ließ ihm zugesprochene Äußerungen dementieren, bei anhaltendem internationalem Druck auf seine Regierung könnte er sich den Taliban anschließen. Sein Sprecher Wahid Omar sagte laut AP am Mittwoch vor Journalisten in Kabul, die afghanische Regierung sei über derartige Berichte schockiert. Omar teilte weiter mit, dass der umstrittene Chef der Wahlkommission, Asisullah Lodin, zurückgetreten sei. Karsai habe Lodin die Leitung der Wahlkommission auch für die im September erwartete Parlamentswahl angeboten, der habe aber abgelehnt, sagte der Präsidentensprecher. DOROTHEA HAHN