Heikle Mission im Kunst-Paradies

Das Wuppertaler Von der Heydt-Museum hat einen neuen Direktor: Gerhard Finck gilt als radikaler Erneuerer

Er mag Rubens und Schweinebraten, Kunstsammler und Kunsthändler. Gerhard Finck (54) ist der neue Chef im Wuppertaler Von der Heydt-Museum. Nach 21 Jahren verlässt Sabine Fehlemann den bekannten nordrhein-westfälischen Musentempel. Ihr Nachfolger wird vermutlich nicht bloß die Beschriftung in den Ausstellungen ändern. Schon als Kurator am Essener Folkwang Museum hat er zehn Jahre lang (von 1990 bis 2000) trotz interner Querelen und Missgunst sein Programm gnadenlos durchgesetzt.

Auch als Leiter des Leverkusener Museum Morsbroich verwandelte er schnell dessen Programmatik. Zum ersten Mal wurden private Sammler in die Aktivitäten und Ausstellungen des Museums einbezogen, und nicht nur bei der Beschaffung von Sponsorengeldern. Mit Neugier blickte die Kunstwelt zu Beginn des neuen Jahrtausends nach Leverkusen. Denn dort zeigten sich plötzlich nicht nur die verschiedenen Interessen von Einzelpersonen und die Strukturen, nach denen Kunstsammeln heute stattfinden kann – ebenso kamen die Verstrickungen von öffentlichen und privaten Sammlungen und die daraus entstehenden Probleme in den Blick.

In Wuppertal übernimmt der Kunsthistoriker, der als Bayer seine Karriere als Ausstellungskurator an der Kunsthalle Emden begann, eine der traditionsreichen öffentlichen Sammlungen in NRW mit Schwerpunkt auf dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Und obwohl es dort, wie andernorts auch, längst keine öffentlichen Gelder mehr für das Museum gibt, muss der neue Direktor der Zukunft keinesfalls traurig entgegensehen. Ganz im Gegenteil. Für manche gebeutelte Kommune in NRW kommt die Schwebebahn-Stadt dem Paradies nahe, denn das bergische Großbürgertum fühlt sich offenbar seinen Kulturinstituten innig verbunden. Allen voran die Brennscheidt-Stiftung, die mit den Erträgen aus elf Millionen Euro das klassische Ausstellungsprogramm gesichert hat. Die Werner Jackstädt-Stiftung fördert mit vielen Millionen Euro Musik, Theater und Kunst und Eberhard Robke, auch Vorsitzender des Kunst- und Museumsvereins, mit den Zinsen von einer Million Euro den Ankauf von Kunst nach 1950. Die Ausschüttungen der Alfred Hoffmann-Stiftung werden zusätzlich noch für Gastkuratoren genutzt. „Eine schöne Basis“, sagt der neue Direktor trocken.

Dennoch möchte Gerhard Finck auch in Wuppertal zusätzlich das Potential der privaten Sammler nutzen. Vor allem die Kunsthalle Barmen, die als Ableger des Elberfelder Haupthauses ein stiefkindliches Dasein fristet, soll diesem Zweck dienen. Dort soll mit den Kunstmarkt-Protagonisten ein jüngeres, internationaleres und aktuelleres Programm geboten werden. Dass diese Nähe zum Markt auch bedenklich sein könnte, scheint für Finck eine altmodische Vorstellung zu sein: „Das Politische in der Kunst wird in Wuppertal eher eine Rolle spielen.“ Und vermutlich wird es das auch in der Ausstellungs- und Sammlungspolitik tun. Was den Job im bergischen Museum bald nämlich etwas schwierig machen könnte, sind die Forderungen nach der Rückgabe von geraubter Kunst.

Nämlich jener Kunstobjekte aus privatem, meist jüdischem Familienbesitz, die in die Hände der Nationalsozialisten oder der Nutznießer ihrer Politik der systematischen Enteignung gerieten. Wuppertal ist vor knapp drei Jahren mit genau dem Problem in die Schlagzeilen geraten: Die Nicht-Anerkennung von Rückgabeforderungen hat die Diskussion um die Rechtmäßigkeit geraubter Kunst erneut entfacht. Direktorin Fehlemann hat damals einen für viele nicht nachvollziehbaren Standpunkt eingenommen, weil sie die politischen Verpflichtungen zur großzügigen Behandlung von Restitutionsansprüchen, die im Rahmen der Washingtoner Holocaust-Konferenz 1998 und der Selbstverpflichtung in der „Berliner Erklärung“ vereinbart worden waren, nicht akzeptieren wollte.

Gerhard Finck als neuer Direktor des Wuppertaler Museums wird dieses Erbe antreten müssen. Denn auch wenn es eine vorläufige „Lösung“ gab, weil die SPD-Kulturdezernentin Marlies Drevermann damals dem Von der Heydt-Museum kurzerhand die Zuständigkeit entzogen hatte, entlässt der etwas verzweifelte Ratsbeschluss auch den zukünftigen Leiter des Museums nicht aus der Pflicht, in dieser heiklen Angelegenheit irgendwann Stellung zu beziehen. Aber Schweinebraten soll ja auch gegen Stress helfen.

KATJA BEHRENS