LESERINNENBRIEFE
:

Werbung für Atomkraftgegner

■ betr.: „Noch mehr Lügen über Asse“, taz vom 31. 3. 10

Kernindustrie erfordert offensichtlich prinzipiell die Ausschaltung wissenschaftlicher Unabhängigkeit, eine erschreckende Missachtung wahrheitsgemäßer Informationspflichten sowie ein ignorantes, menschenverachtendes Weltbild der Verantwortlichen. Nach 1995 versuchten Behörden und das Bundesforschungsministerium unter Jürgen Rüttgers noch jahrelang, die Laugenzutritte in die Asse II mit allen Mitteln zu vertuschen – schade nur, dass dieses „Geheimnis“ längst durch eigenes Verschulden öffentlich war: Ich besuchte die Asse II 1993 als Begleiter eines Physikgrundkurses. Zum vermeintlich werbewirksam inszenierten Besuch gehörte auch die Begehung des Bergwerks. Wir sahen lose hinter einem Salzwall abgekippte „leicht“ radioaktive Atommüllfässer („weil die Strahlung die Arbeiter sonst zu sehr belasten würde“) und von Gammastrahlung im Experiment verfärbtes Salz. Wir wurden auch völlig offen darüber informiert, dass täglich erhebliche Wassermengen in die Asse eindrangen. Jedem anwesenden Schüler war danach klar, dass dieses Wasser in absehbarer Zeit auch die Atommüllfässer erreichen würde – die ganze Besichtigung war insofern allerbeste Werbung für die Atomkraftgegner. JÖRN BRUNKEN, Kasseedorf

Eingeschränkte Religionsfreiheit

■ betr.: „Erstes Burka-Verbot in Europa vor Annahme“, taz v.1. 4. 10

Wieso wird uns Musliminnen diese Freiheit, selbst zu entscheiden, was wir tragen wollen, genommen? Im Grundgesetz (Artikel 4) steht: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“ Erst wurde das Kopftuch in französischen Schulen verboten und jetzt die Burka. Das Kopftuch ist der Bestandteil des Glaubens einer Muslimin, dass die Liebe zu Gott viel größer ist, als die Liebe zum Weltlichen, dass sie die Bedeckung zu ihrem eigenen Schutz und für ihr Wohlbefinden trägt. Durch das Kopftuch- und Burkaverbot wird die Religionsfreiheit der Musliminnen in Frankreich oder in Belgien eingeschränkt. Mir ist bewusst, dass einige Frauen gezwungen werden, das Kopftuch oder die Burka zu tragen und so als Gefangene hinter Gittern zu leben, doch dies hat keine religiösen Gründe, sondern dahinter verbergen sich kulturelle – und individuelle Probleme. Hier hilft eher gezielte Unterstützung der betroffenen Familien, aber kein Verbot. AHMED KHILAT, Gustavsburg

Unerwartete Gefilde

■ betr.: „Merkels rechte Hand“, taz vom 1. 4. 10

Wolf Schmidt führt seine Analysen in unerwartete Gefilde. Sogar der Kronjurist zu Zeiten des Faschismus, Carl Schmitt, ist hier involviert. Wir sehen einen militärischen Berater der Kanzlerin, dessen Beförderung vom Oberst zum General jetzt ansteht, gerade zu einem Zeitpunkt, da eine Mehrheit des bundesdeutschen Volkes sich für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ausspricht. Bei diesem Berater? Die Spuren des Berichts über den neu beförderten Kanzlerin-Berater Erich Vad führen zu rechtslastigen Schriften, Reden und Foren. Und zu Burschenschaften. Mein Respekt für diese fundierte Recherche-Arbeit. WILFRIED MAIER, Berlin

Bier – vegan oder nicht?

taz.de-Userin „Lotta“ sagt zum veganen Selbstversuch in der sonntaz vom 27./28. 3.: „Ich will niemandem den Tag verderben, aber Bier ist meist nicht vegan wegen der Klebe am Etikett – normalerweise mit Gelatine.“

sonntaz-Redakteurin Meike Laaff antwortet: Das Bier selbst ist vegan, wenn es nach deutschem Reinheitsgebot gebraut ist. Für das Ankleben von Etiketten werden bei Bier und anderen Flaschen tatsächlich häufig tierische Produkte verwendet – wie Kasein, ein Proteinbestandteil von Milch.

Ob man diese Produkte als Veganer boykottiert, ist Auslegungssache, denn ein goldenes Regelwerk der Veganer existiert nicht. Selbst die in Veganerkreisen anerkannte britische Vegan Society spricht vom Veganismus als „Philosophie oder Lebensweg“, um Ausbeutung von und Grausamkeit an Tieren „so weit möglich und praktikabel“ zu verhindern. Auch sie sehen also, dass das vegane Leben praktische Grenzen hat. Soll jedes Taxi mit Ledersitzen, jeder mit Gelatine beschichtete Film boykottiert werden? Sind alle Briefmarken vegan? Ein hundertprozentig veganes Leben erscheint selbst den Betreibern von Seiten wie vegan.de „kaum möglich“ – viele Veganer definieren unter dem Motto „Vermeiden des Vermeidbaren“ ihre persönlichen Grenzen daher selbst.