Geld vom Curry-König

VON RALF SOTSCHECK

Er war 1997 als „Saubermann der Politik“ angetreten. Jetzt droht dem britischen Premierminister Tony Blair das vorzeitige Ende wegen einer Parteifinanzierungsaffäre. Ein Dutzend reicher Geschäftsleute hat der Labour Party vor den letzten Wahlen im Mai 2005 rund 21 Millionen Euro als Kredit gewährt, so musste Blair einräumen. Am Montagabend veröffentlichte seine Partei aufgrund des öffentlichen Drucks die Namensliste: Sie reicht vom Supermarkterben und Wissenschaftsstaatssekretär David Sainsbury über den Buchmacher Derek Tullett bis hin zum „Curry-König“ Gulam Noon. Vier Spender sind von Labour als Lords nominiert worden, doch die zuständige Berufungskommission, die Blair selbst ins Leben gerufen hatte, blockierten ihren Einzug ins Oberhaus.

Die Nominierungen haben nichts mit den Spenden zu tun, beteuerte Blair vorgestern, doch seine Glaubwürdigkeit, die wegen der vorgeschobenen Begründung für den Irakkrieg ohnehin angeschlagen war, hat weiteren Schaden genommen. Nur noch eine Minderheit der Bevölkerung glaubt, dass es bei der Sache mit rechten Dingen zuging. Beweisen wird sich der Zusammenhang zwar nicht lassen, doch die Wähler sind keine Richter: Sie bestrafen auch ohne einen endgültigen Beweis. Gegen Gesetze hat Blair allerdings nicht verstoßen. Im Jahr 2000 verabschiedete die Labour-Regierung ein Gesetz, wonach Parteispenden deklariert werden müssen. Kredite fielen nicht unter diese Regelung, aber es haftet ihnen der Geruch des Schmuddeligen an – zumal Blair 1998 erklärt hatte, Labour müsse „reiner als rein“ sein, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik, das die letzte Tory-Regierung mit zahlreichen Finanzaffären verspielt hatte, zurückzugewinnen.

Die Tories können jedoch kaum Vorteile aus Labours Schwierigkeiten ziehen, denn auch sie haben ihren Wahlkampf mit geheimen Krediten finanziert. Die Summe soll sogar bei umgerechnet 27 Millionen Euro liegen; doch im Gegensatz zur Regierung hüllen sich die Konservativen in Schweigen. „Wir veröffentlichen in Zukunft gerne die Namen unserer Finanziers, aber es wäre unfair, es nachträglich zu tun“, sagte ein Sprecher. Blairs Stellvertreter John Prescott kritisierte den Tory-Chef David Cameron dafür. Er solle seinem Gerede von Offenheit endlich Taten folgen lassen und die Namensliste veröffentlichen.

Er selbst wusste von den Krediten für die Labour Party genauso wenig wie der Parteivorsitzende Ian McCartney und der Schatzmeister Jack Dromey. Der hatte die Affäre vorige Woche ins Rollen gebracht, als er öffentlich protestierte, dass man ihn über die Kredite im Dunkeln gelassen hatte. Blairs Anhänger beschuldigten ihn daraufhin, dass er mit Blairs designiertem Nachfolger und Rivalen, dem Schatzkanzler Gordon Brown, unter einer Decke stecke, um den Premierminister zu stürzen. Dromey bestreitet das. Er behauptet, die Geheimhaltung der Kredite sei eine Respektlosigkeit von Blair gegenüber der Partei.

Christine Shawcroft vom Parteivorstand sagte: „Al Capone ist über Steuerhinterziehung gestürzt. Wenn so etwas auch Blair zu Fall bringt, soll es mir recht sein.“ Die Gewerkschafterin Harriet Yeo, ebenfalls aus dem Labour-Vorstand, sagte: „Wenn es den kleinsten Hinweis auf eine Verbindung zwischen einem Lordtitel und einer Parteispende gibt, müssen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, da sie den Ruf der Partei geschädigt haben – selbst wenn es sich dabei um den Premier handelt.“

Am Montag hatte nach konservativen Zeitungen auch der Labour-treue Guardian Blair zum Rücktritt geraten. Noch könne er das Datum für die Machtübergabe an Brown selbst bestimmen, schrieb das Blatt. Doch mit jedem weiteren Skandal schrumpfe sein Entscheidungsspielraum. Der Leitartikel trug die Überschrift „Neun Jahre sind genug“.