Aufruf zum nationalen Streiktag

Da Premierminister de Villepin die Rücknahme des cpe-Gesetzes ablehnt, rufen Gewerkschaften und Studenten zu einem landesweiten Protesttag auf

PARIS taz ■ Der Konflikt um den „cpe“ – den Arbeitsvertrag, der den Kündigungsschutz für junge Beschäftigte für zwei Jahre aufhebt – weitet sich aus. In Paris versuchte Premier Dominique de Villepin gestern die rechten Reihen zu schließen. Bevor er sämtliche Abgeordnete der rechten Regierungspartei UMP am Abend zu einem Umtrunk an seinen Amtssitz lud, erklärte er, dass er nur zu „Anpassungen“ bereit sei, aber grundsätzlich an seinem Gesetz festhalte.

Auf der anderen Seite begannen die Gewerkschaften, deren „Ultimatum“ an den Premier, den cpe zurückzuziehen, verpufft war, wie angekündigt einen „nationalen Streiktag“ vorzubereiten. Der Tag, an dem sie die Maschinen abschalten und gegen den cpe auf die Straße gehen wollen, ist der nächste Dienstag. „Alle Gewerkschaften rufen dazu auf, den 28. März zu einem Tag der Demos, des Streiks und der Arbeitsniederlegungen zu machen“, hieß es.

Erstmals erhielten die cpe-Gegner gestern Rückendeckung aus Brüssel. In ungewohnter Klarheit kritisierte der „Europäische Gewerkschaftsbund“ den europaweiten Abbau des Kündigungsschutzes: nicht nur in Frankreich, sondern insbesondere auch in den neuen EU-Mitgliedsländern.

Unterdessen rang auf der Intensivstation eines Krankenhauses bei Paris ein 39-jähriger Anti-cpe-Demonstrant um sein Leben. Wie erst am Montagabend bekannt wurde, war der 39-jährige SUD-Gewerkschafter Cyril Ferez am Samstagabend am Ende der Großdemonstration auf der Pariser Place de la Nation schwer verletzt worden.

Fotografen und Mitdemonstranten von Cyril Ferez berichteten der Zeitung Libération, dass Polizisten der Sondereinheit CRS am Samstagabend auf den bereits am Boden liegenden Demonstranten eingeschlagen und eingetreten hätten. Cyril Ferez habe zusammen mit einem anderen Demonstranten gegen 20 Uhr „friedlich und unbewaffnet“ direkt vor schwer bewaffneten CRS-Polizisten auf dem Asphalt gesessen. Im nächsten Moment seien die Polizisten vorgeprescht. Ein von Libération zitierter Fotograf sah, wie Cyril Ferez zu Boden ging und Polizisten auf ihn einschlugen. Der Fotograf Bruno Stevens erklärte Libération, er habe geschrien: „Seht ihr nicht? Er ist bewusstlos.“

Die Polizei hat ein internes Ermittlungsverfahren eingeleitet. Ihr Chef, der sonst gesprächige Innenminister Nicolas Sarkozy, schweigt zu dem dramatischen Vorfall. Polizisten erklären, der Demonstrant sei „stark alkoholisiert“ gewesen. Und man wisse nicht, ob er „Opfer von Schlägern, Opfer der Polizei oder Opfer von sich selbst“ sei.

Studenten blockierten auch gestern wieder mehr als 60 Universitäten im Land und organisierten zahlreiche Demonstrationen. Unerwartete Unterstützung erhielten sie von Seiten der Schauspielerin Sharon Stone. Bei einer Pressekonferenz in Paris lehnte auch sie den neuen Arbeitsvertrag ab. Ihre Begründung: „Man hat das Recht zu erfahren, warum man gefeuert wird. Gerade weil ich blond bin, erscheint mir das völlig selbstverständlich.“ DOROTHEA HAHN