Disput über Umgang mit Muslimbrüdern

ÄGYPTEN Militärchef will Islamisten wieder am politischen Prozess beteiligen. Ministerpräsident will Muslimbrüder verbieten. Und der Vizeministerpräsident fordert die sofortige Aufhebung des Notstands

KAIRO rtr/dpa/ap | Nach tagelangen blutigen Unruhen hat Ägyptens Militärchef Abdel Fatah al-Sisi die Islamisten aufgerufen, sich wieder am politischen Prozess zu beteiligen. Die Armee habe nicht die Absicht, die Macht an sich zu reißen, sagte al-Sisi am Sonntag bei einem Treffen von Offizieren und Polizei. Gleichzeitig bekräftigte er, dass die Armee der Gewalt nicht untätig zusehen werde. Es war der erste öffentliche Auftritt des Generals und Verteidigungsministers seit der blutigen Räumung der Protestlager von Islamisten am Mittwoch.

Am Sonntag trat auch die ägyptische Übergangsregierung zusammen, um über die politische Krise zu beraten. Dabei sollte es auch um die Zukunft der Muslimbruderschaft gehen. Bereits am Samstag hatte Ministerpräsident Hasem al-Beblawi vorgeschlagen, die Muslimbruderschaft zu verbieten.

In der Regierung gibt es aber auch Stimmen, die nach dem Tod Hunderter Putschgegner versöhnliche Töne anklingen lassen. Vizeministerpräsident Siad Bahaa al-Din forderte die Aufhebung des Notstands, die Beteiligung aller Parteien an der politischen Willensbildung und die Garantie der Menschenrechte. Im Gegensatz zu dem ebenfalls liberalen Vizepräsidenten Mohamed ElBaradei war Bahaa al-Din nach der Zwangsräumung der Protestcamps im Amt geblieben.

Allerdings dürfte sich eher die harte Linie von al-Beblawi durchsetzen. „Es kann keine Versöhnung mit denen geben, deren Hände mit Blut besudelt sind und die die Waffen gegen den Staat und seine Institutionen gerichtet haben“, sagte al-Beblawi am Samstag. Die Behörden ermitteln gegen 250 Anhänger Mursis wegen Mordes, versuchten Mordes und Terrorismus.

Am Sonntag durchsuchte die Polizei in mehreren Städten Häuser von ranghohen Muslimbrüdern, wie Sicherheitsbeamte mitteilten. Dabei seien mehrere Islamisten festgenommen worden, hieß es. In der Gegend um Assiut, 320 Kilometer südlich von Kairo wurden den Angaben zufolge 163 Wohnungen von Muslimbrüdern durchsucht. Die Festgenommenen unter ihnen müssten mit Anklagen wegen Anstiftung zur Gewalt und der Planung von Anschlägen auf Polizeiwachen und Kirchen rechnen, verlautete aus Sicherheitskreisen.

Schießerei vor Moschee

Am Samstag räumten die Sicherheitskräfte nach stundenlangen Feuergefechten die Fatah-Moschee am Ramsesplatz in Kairo, wo Mursi-Anhänger Unterschlupf gesucht hatten. Allein dabei wurden nach Angaben des Innenministeriums 385 Personen festgenommen. Seit der Gewalteskalation nach der Räumung zweier Protestlager der Islamisten starben 800 Menschen, darunter nach offiziellen Angaben 57 Polizisten.

Die Muslimbrüder sagten unterdessen eine für Sonntag geplante Kundgebung in Kairo ab. Die Protestaktion müsse „aus Sicherheitsgründen“ ausfallen, teilte die Partei der Islamisten mit.

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