„Sphäre der Vergewisserung“

DEBATTE Oliver Scheytt, im Kompetenzteam des SPD-Kanzlerkandidaten, spricht über Kulturpolitik

■ 55, Kulturmanager und -politiker, ist seit diesem Jahr im Kompetenzteam des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück.

taz: Herr Scheytt, Sie haben einst das Klavier- gegen das Jurastudium getauscht. Sagt das etwas aus über Ihren Kulturbegriff?

Oliver Scheytt: Die Entscheidung war persönlicherer Art: Während meines Klavierstudiums sah ich, dass es sehr viele gute Pianisten gibt und dass ich da nicht würde mithalten können. Da ich mich auch für Fragen der Philosophie und Gerechtigkeit interessierte, habe ich gewechselt, weil ich da mehr berufliche Möglichkeiten sah.

Der Subtext lautet also: Jura ist profitabler als Kultur.

Das würde ich so nicht sagen. Im Nachhinein glaube ich sogar, ich habe nur Karriere machen können, weil ich die Kombination von Kultur und Politik zum Beruf gemacht habe. Letztlich habe ich so mehr bewirkt, als wenn ich nur Klavier gespielt hätte.

Sie haben die Kulturhauptstadtbewerbung der Stadt Essen moderiert. Wie sinnvoll ist es, Kultur zur Marke zu verengen?

Die Marke ist ein Effekt, nicht die Ursache. Denn im Kern wird man nur dann Erfolg haben, wenn man Kultur als Sphäre ansieht, in der sich etwa eine Stadt ihrer selbst vergewissert. Wenn man sich seiner eigenen Identität bewusst wird, kommt automatisch ein gutes Profil und damit eine gute Marke heraus.

Mit der „Elbphilharmonie“ bastelt Hamburg an einem Markenzeichen. Stärken solche Projekte die Kulturaffinität der Einheimischen?

Die „Elbphilharmonie“ ist in der Tat zu einem Bild geworden, das für Hamburg steht und damit eine Außen- und eine Innenwirkung hat. Und man muss feststellen, dass das Management beim Vorbereitungsprozess dieser großen Kulturimmobilie nicht optimal gelaufen ist. Letztlich muss man aber schauen, welche Wirkung in 10 bis 30 Jahren eintritt.

Hamburgs SPD pocht auf Partizipation. Im äußersten Fall gestalten dann Besucher die Ausstellungen, und die Wissenschaftler gehen heim. Oder?

Es gibt ja viele Formen der Partizipation: Fördervereine für die Museen, Publikumsbeiräte für die Theater. Ich halte das für mögliche Formen der Partizipation, meine aber, dass Künstler und die anderen Menschen, die dafür ausgebildet sind, die letzte Entscheidung haben sollten. Es muss diese subjektive Setzung in der Kunst geben. Modelle, bei denen das vergesellschaftet wurde, sind oft gescheitert.  INTERVIEW: PS

Diskussion „Kulturpolitik – ein Wahlkampfhtema?“ mit Oliver Scheytt und der Journalistin Armgard Seegers-Karasek: 19.30 Uhr, Kampnagel