Die Bahn bewegt sich – nach dem Chaos

MOBILITÄT Das bundeseigene Verkehrsunternehmen will nun seine Personalplanung am tatsächlichen Bedarf ausrichten. Beschäftigte sollen endlich Urlaub kriegen. Die Gewerkschaft spricht von Erfolg

BERLIN taz | Einschneidende Ereignisse sind bei der Deutschen Bahn AG offenbar nötig, damit in dem bundeseigenen Unternehmen Selbstverständliches geschieht. Nach einem Krisentreffen zwischen dem Bahnvorstand und der Eisenbahnergewerkschaft EVG am Mittwochabend bekannten sich beide Seiten zu einer „bedarfsorientierten Personalplanung“, die „stärker als bisher den individuellen Belangen der Beschäftigten Rechnung tragen“ solle. Dies geht aus der Vereinbarung beider Seiten und des Konzernbetriebsrats hervor. Ziel sei auch der „Abbau von Mehrleistungsstunden und die Sicherstellung der Ruhetage und Ruhewochenenden“, die „Sicherstellung der Urlaubsgewährung“ sowie die „Besetzung der geplanten Schichten und die Vermeidung von Ausfallschichten“.

Hintergrund sind die anhaltenden Probleme am Mainzer Hauptbahnhof wegen Personalmangel im Stellwerk. Zur Erinnerung: Am 1. August kam es in Mainz zu einem Beinahe-Zusammenstoß zweier S-Bahnen, weil eine Bahn auf ein falsches Gleis geleitet worden war. Staatsanwaltschaft und Eisenbahnbundesamt untersuchen den Vorfall; sie werden auch der Frage nachgehen müssen, ob es im Stellwerk Überlastung oder Unterbesetzung gab. Wenige Tage nach dem Vorfall brach am Mainzer Hauptbahnhof das Chaos aus, weil im Stellwerk mehr als die Hälfte der Fahrdienstleiter wegen Krankheit oder Urlaub fehlte.

Fahrdienstleiter sind die Lotsen des Eisenbahnverkehrs. Sie sind auf ihren jeweiligen Bereich spezialisiert und können nicht einfach durch Kollegen aus anderen Stellwerken ersetzt werden. Ein Hamburger Hafenlotse kann auch nicht im Rostocker Hafen arbeiten – und umgekehrt.

Unter welchem – auch strafrechtlichen – Druck Stellwerker bei ihrer Arbeit stehen, zeigt ein Prozess im Land Brandenburg. Nächste Woche muss sich ein Fahrdienstleiter der Bahn vor dem Amtsgericht Zossen wegen fahrlässiger Tötung eines 15-jährigen Mädchens verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, seine Sorgfaltspflicht verletzt zu haben. Das Mädchen hatte sich auf einem sehr schmalen Bahnsteig aufgehalten, wurde von einem Zug angefahren und tödlich verletzt.

Bei der DB sollen nun alle 400 Bahnbetriebe ihren Personalbedarf überarbeiten – für die EVG ein Erfolg. „Wir werden die Personalplanung in allen Bereichen neu aufsetzen lassen“, sagte EVG-Chef Alexander Kirchner. Diese werde endlich am Bedarf ausgerichtet. RICHARD ROTHER