Die kulturellen Codes

Der Düsseldorfer Kunstverein zeigt die erste größere Einzelausstellung der Künstlerin Amelie von Wulffen. Sie gibt einen schmalen Einblick in das breite Oeuvre der Biennale Venedig-Teilnehmerin

AUS DÜSSELDORFKATJA BEHRENS

Die Künstlerin Amelie von Wulffen ist international vor allem durch ihre Collagen bekannt geworden, in denen zentral montierte Fotos durch Malerei erweitert und abstrakt aufgelöst werden. Ganz konkrete biografische oder kunstgeschichtliche Motive verlängert die Malerin teilweise bis in den Ausstellungsraum hinein und verändert so unterschiedliche Ebenen der Seh-Erfahrung von ihr selbst und des Betrachters. Ihre erste größere Ausstellung „La fleuve des mes assiettes“ (“Der Fluß meines Geschirrs“) im Düsseldorfer Kunstverein gewährt jetzt einen exemplarischen Einblick in das vielfältige und komplexe Schaffen der Künstlerin, die gerade eine Professur an der Akademie der bildenden Künste in Wien erhalten hat. Sie präsentiert sich ohne pädagogische Penetranz, dafür mit viel Sinn für Ironie und ästhetische Stimmigkeit. Strukturiert ist der weiße Ausstellungs-Kubus durch die zusätzliche Installation eckiger grauer Wand- und Deckenverkleidungen, die seine strenge lineare Richtung etwas mildern. Die einzelnen Werke werden aber nicht in Kabinette gezwängt, sondern nebeneinander locker aufgereiht.

Amelie von Wulffens Farbmeditationen über Details von Bildern des französischen Pointillisten George Seurat, über van Goghs Selbstporträt, ihre collagierten Auseinandersetzungen mit den glänzenden Oberflächen, Mustern und Ornamenten chinesischer und orientalischer Keramik, Stoffen und Tapisserien und die malerischen Verlängerungen der Räume von Interieurfotografien privater bürgerlicher Sonntäglichkeit, fließen im schmalen Schlauch der Düsseldorfer Schau etwas unter Augenhöhe in einem breiten Strom dahin. Der dynamische Prozess, der mit dieser Art von Aneignung vollzogen wird, wird von der Kunstrezeption zwar als künstlerische Kreativität wahrgenommen, die sich aneignenden Künstlerinnen befinden sind hingegen häufig im Verdacht uninspirierter Nachahmung.

Zudem wehrt sich die Wahlberlinerin, 1966 geboren in der Oberpfalz, gegen den immer wieder zu beobachtenden Reflex der Verkürzung ihres Werkes. Er ist fast Regel für die Rezeption der Kunst von Frauen ihrer Generation – der Kurzschluss von Kunst und Biographie. „Selbst wenn eine ganze Reihe meiner Arbeiten das nahe zu legen scheint, finde ich die voreilige Annahme, dass da eins zu eins persönliche Vergangenheitsbewältigung stattfindet, typisch für die Art, wie die Kunst von Frauen rezipiert wird - so wie man auch offensichtlich nie aufhört, eine junge Künstlerin zu sein“, sagt die Teilnehmerin der Biennale Venedig von 2003. Sie habe den Eindruck, zunächst jünger gemacht, feminisiert und verniedlicht zu werden, um erst dann mit erstaunter Anerkennung professionelle Qualitäten zugesprochen zu bekommen.

Die tatsächliche Vielfalt ihres Oeuvres wird auch in Düsseldorf erst in dem schönen Katalogbuch ersichtlich, das der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen in Zusammenarbeit mit dem Museum für Gegenwartskunst in Basel herausgegeben hat. Darin erläutert Amelie von Wulffen im Gespräch mit Kunstvereins-Direktorin Rita Kersting – die wegen ihrer zweiten Schwangerschaft bald den Job in Düsseldorf aufgibt – ihre eigenen künstlerischen Bezugspunkte und erzählt von den verschiedenen frühen handwerklichen Experimenten: Sie testete die Wirkung auf ihr Werk mit Zeichentrickfilmen, Knetgummi-Animationen, Häusermodellen, Objekten und Wandbildern, mit Aquarell- und Ölmalerei. Sie landete bei der Fotografie und fotografierten Bildvorlagen. Die bilden auch heute noch den Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Interventionen und Inventionen.

Obwohl die surrealen Architektur-Phantasien, die Modelle, Übermalungen und Fotocollagen aus den 1990er Jahren bereits Einblick in die breite Thematik ihrer Interessengewährten – in die assoziativen Besitzergreifungen und Überführungen kultureller Codes ebenso wie in die Brisanz der Konflikte zwischen künstlerischem Schaffen und den möglichen Lösungen.

Kunstverein DüsseldorfBis 11. Juni 2006Infos: 0211-327023