Desperate Ärztinnen

Operation erfolgreich, Zuschauer leidlich unterhalten: die Krankenhaus-Serie „Grey’s Anatomy“ (20.15 Uhr, Pro7)

Verdammt! Wir verlieren den Zuschauer! Schnell, zwei Milligramm (bitte hier den Namen eines Medikaments einsetzen)! Er reagiert nicht mehr! Schnell! Schalten Sie den (bitte hier den Namen eines medizinischen Geräts einsetzen) ein! Ja, er kommt wieder!

Gut. Jetzt langsam mit einer wöchentlichen Infusion von „Grey’s Anatomy“ beginnen. Ist eine Neuentwicklung aus den USA und hierzulande erst ganz frisch zugelassen. Obwohl, im Vertrauen, auch nicht mehr ganz so neu. Die Kollegen in den Staaten haben einfach einige bewährte Wirkstoffe neu kombiniert: Man nehme den Grundstoff „junge, gut aussehende Menschen“, mixe ihn zu gleichen Teilen mit „Berufseinstieg“, „Konkurrenzdruck“ und „Freundschaft“ sowie einer gehörigen Portion „Sex“ und lasse das Ganze über Nacht im Coolschrank stehen. Jetzt schneide man die besten inneren Monologe der Erzählerin aus „Desperate Housewives“ neu zusammen und implantiere dieses pseudophilosophische Gewebe in den Serienkörper. Zwischendurch mal abhören: „Das Leben besteht aus Grenzen … manchmal muss man diese Grenzen auch überschreiten.“ Nein, das geht so noch nicht, diesen Satz in der Mitte trennen, den Anfang an den Anfang der Episode nähen und den Schluss ans Ende, und in die Mitte kommt jede Menge abgestandene Selbstreflexion. So, jetzt nochmal in den Mixer. Und verabreichen.

Ja, das klingt einfach, aber die Kollegen aus den USA sind wahre Kapazitäten auf ihrem Gebiet. In Amerika sind die TV-Patienten bereits süchtig nach dem Stoff (erfolgreichster Serienstart im Jahr 2005), und es kann gut sein, dass es ihren Leidensgenossen hier ähnlich gehen wird. Denn bei aller Banalität der Rezeptur ist diese nach allen Regeln der Kunst hergestellt und darum hochpotent. Vorsicht: Über kurz oder lang wird garantiert eine billige deutsche Imitation auf dem Markt erhältlich sein. Vor deren Konsum ist jetzt schon dringend zu warnen. KUZ