Freie Medien? Nein danke!

AFRIKA Auf einer medialen Jubelfeier in Kenia zeigen mehrere vermeintlich demokratische Staatschefs ungewohnt offen, was sie vom Grundrecht auf Pressefreiheit halten: gar nichts

„Afrikas Politiker sehen die Presse als Erzfeind“

TREVOR NCUBE, HERAUSGEBER DES „ZIMBABWE INDEPENDENT“

AUS NAIROBI MARC ENGELHARDT

Premierminister und Staatschefs, Alterspräsidenten und Nobelpreisträger – hochkarätiger hätte man das Jubiläum zum 50-jährigen Bestehen von Kenias größter Tageszeitung, Daily Nation, eines der renommiertesten Blätter Afrikas, kaum feiern können. Aus Anlass des Geburtstages sollten die Gäste mit Praktikern auf einer „panafrikanischen Medienkonferenz“ über die Zukunft der Medien in Afrika diskutieren. Doch stattdessen nutzten die geladenen Politiker die Chance, die Freiheit der Medien in ungewohnter Deutlichkeit zu verdammen.

Ruandas Präsident Paul Kagame machte mit einem drastischen Vorwurf den Auftakt. Pressefreiheit sei letztlich für den Völkermord in seinem Land verantwortlich, bei dem 1994 mehr als 800.000 Menschen getötet wurden. „Wir haben in der Vergangenheit so viele Leute gehabt, die zu viel Getöse verbreitet haben, und deshalb haben wir im Genozid so viele Menschen verloren“, so Kagame. „Wir haben genug davon, jetzt muss erst einmal ernsthaft gearbeitet werden.“ Wenn das Land entwickelt sei, könne man über Pressefreiheit nachdenken – vorher nicht.

Zeitgleich warf Äthiopiens Premier Meles Zenawi dem US-Auslandssender Voice of America (VOA) vor, ein Programm zu machen, das dem des ruandischen Hetzsenders Radio Mille Collines gleichkomme. „Wir haben es aufgegeben, auf Objektivität oder ein bisschen Professionalität zu hoffen“, so Zenawi. „Wir sind seit einiger Zeit und mit zunehmender Intensität dabei, etwas gegen den Sender zu unternehmen, und auch das Blockieren von Frequenzen gehört dazu.“ Zenawis Regierungssprecher hatte bis dahin stets zurückgewiesen, dass der Staat die Frequenzen derart stört, dass das amharischsprachige VOA-Programm schon seit Wochen nicht mehr zu empfangen ist. Im Mai wird in Äthiopien gewählt – im Vorfeld vergangener Wahlen hatte die Regierung schon öfter ausländische Radioprogramme, die in äthiopischen Sprachen ausgestrahlt werden, geblockt.

Überraschend an Zenawis und Kagames Äußerungen ist weniger der Inhalt als die Form: In Afrika ist es für Regierende zunehmend salonfähig, das Grundrecht Pressefreiheit zu verneinen. Zenawi und Kagame sind zudem im Westen anerkannte Staatsmänner. Sie gehören nicht zu den Diktatoren aus dem Skurrilitätenkabinett, die bisher für solche Äußerungen bekannt waren: Gambias Präsident Yahya Jammeh etwa, der vor einem halben Jahr im Staatsfernsehen mitteilte: „Jeder Journalist, der glaubt, er kann berichten, was er will, und in Freiheit leben, liegt falsch.“ Auch Simbabwes Präsident Robert Mugabe wettert regelmäßig über Journalisten, in Eritrea lässt Präsident Isayas Afewerki Medien gar nicht erst zu.

„Länder, die schlecht regiert werden, haben keine freie Presse“, resümiert David Dadge, Direktor des International Press Institute. In Afrika zeige sich das besonders in Ländern, in denen Regierungschefs sich weigerten, ihr Amt aufzugeben. „Erst wenn die Führer an der Spitze einer Nation selbst eine Idee von Demokratie entwickeln, lassen sie auch Medienfreiheit zu.“ Realität ist die gegenteilige Entwicklung: Präsidenten, die sich selbst die Amtszeit verlängern, bis sie im Amt sterben oder weggeputscht werden, sind in Afrika zunehmend die Regel.

„Afrikas Politiker sehen die Presse als Erzfeind“, glaubt Trevor Ncube, der den Zimbabwe Independent wegen der restriktiven Lage in Simbabwe von Südafrika aus herausgibt. Seine Bilanz: „Die Politiker werden uns die Pressefreiheit nie auf dem Silbertablett präsentieren, wir müssen darum kämpfen.“

Wie schwer das ist, beweist nicht zuletzt die Geschichte der Daily Nation selbst: Die Liste der Reporter, die in den vergangenen fünfzig Jahren wegen ihrer Recherchen getötet wurden, ist lang.