DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Lügen, Gülle, Botulismus

WAS SAGT UNS DAS? Eine neuseeländische Firma hat verseuchtes Milchpulver nach China verkauft. Und jetzt schweigt der Konzern dazu

Erst nach einem Jahr kam der Skandal ans Licht: 900 Tonnen Molkepulver, das mit lebensgefährlichen Botulismus-Erregern infiziert ist, wurde in die weite Welt exportiert. Dass die Panne in Neuseeland verschleiert wurde, hat der Milchmogul Fonterra immer noch nicht erklärt.

Damit schießt sich Neuseelands größte Firma ins Aus: China, der wichtigste Export-Abnehmer, hat einen Boykott der Produkte verhängt. Der NZ-Dollar ist rapide gesunken. Auch vor Ort kippt die Stimmung gegen das Unternehmen um. Zu viele Lügen, zu viel Dreck. Bereits 2008 starben und erkrankten in China Babys durch Milchpulver einer Tochterfirma Fonterras. Wochenlang verschleierte die Geschäftsleitung in Auckland das Unglück. Seitdem stand der Käse-Multi, der 10.600 Bauern vertritt, vor allem wegen seiner Umweltbilanz im Visier. Fonterra treibt vermehrt Farmer von der Schafzucht zur Milchproduktion, was bedeutet: Flüsse kippen um, weil die Gülle von Hunderttausenden Kühen zusammen mit dem Dünger ins Wasser sickert.

Mit dem Image „clean & green“ wirbt Neuseeland weltweit, um Touristen anzulocken und Qualitätsprodukte zu verkaufen. Es wird zur Farce, wenn ausgerechnet Öko-Sünder China jetzt Neuseeland seinen verlogenen Werbeslogan „100 % pure“ um die Ohren haut. 100 % rein ist auch die Wut der neuseeländischen Farmer auf Fonterra. Endlich. Denn die traditionell Konservativen, die sich als Umweltschweine beschimpfen lassen mussten, beginnen die dubiose Firmenpolitik zu kritisieren und dadurch vielleicht umzudenken. „Dirty dairying“ – gemeint war bisher die wasserbelastende Milchgewinnung – hat seit drei Tagen eine neue Bedeutung. Hoffentlich keine fatale. ANKE RICHTER