Der Kinder-Bürgermeister

Er forderte, Speiseeis in der Ernährungspyramide zu etablieren

Wenn ein Vierjähriger zum zweiten Mal als Bürgermeister gewählt wird, dann kann sich das nur im Land der unbegrenzten Möglichkeiten abspielen. Genauer gesagt: in Dorset, im US-Bundesstaat Minnesota. Ein Dorf mit kaum über zwanzig Einwohnern. Die personifizierte Unschuld trägt in diesem Fall den Namen Robert Tufts, hat hellgrüne Kulleraugen und ein strahlendes Lächeln.

Seine Wiederwahl war keine große Überraschung. Jeder Einwohner von Dorset kann – nachdem er einen Dollar bezahlt hat – einen Kandidaten auf einen Zettel schreiben. Das Geld kommt dem örtlichen Festival zugute. Der Gewinner wird dann per Los aus einem Hut gezogen.

Es wurden auch schon einmal Tiere ins Rennen geschickt. Kathleen Schmidt, die Inhaberin des örtlichen Dorfladens, erzählt: „Ich hatte mal einen Hahn, den ich zum Bürgermeister wählen lassen wollte, aber er wurde von einem Hund angefallen.“ Das wäre was gewesen. Ein Hahn, der alles automatisch abnickt. Jetzt haben sie aber Robert.

Da der als Bürgermeister in Dorset nur symbolische Macht hat, ist hier alles möglich, denn es gibt keine eigene Stadtverwaltung, nachdem das Dorf eingemeindet wurde.

So konnte Tufts’ Forderung, Speiseeis in der Ernährungspyramide zu etablieren, aufgenommen werden und verhalft ihm schließlich zur Wiederwahl. Die Hauptaufgabe von Tufts besteht jetzt erneut darin, Besucher des Dorfes willkommen zu heißen. Außerdem will er in Zukunft dafür sorgen, dass Dorset ein neues Schild am Ortseingang bekommt.

Was auf den ersten Blick wie eine amüsante Aktion wirkt, kann für den Kleinen auch traurige Folgen haben. Die Einstellung der Freundin des jungen Bürgermeisters beweist das bereits: „Sophia mag mich, weil ich Bürgermeister bin“, erklärte Tufts. Bedeutet: Anerkennung durch Status. Willkommen im Westen.

Im September kommt Robert Tufts in die Vorschule. Wie gut für ihn, dass er bisher wohl nie etwas unterschreiben musste, denn woher sollte er das auch können. Dorset, das von seinen Einwohnern als Touristenstadt beschrieben wird, hat sich einen Vierjährigen als Attraktion ausgesucht. Und wenn Robert Tufts später stolz in seinem Lebenslauf eintragen wird, dass er als Kind bereits zweimal Bürgermeister war, dann wird es ratlose Gesichter geben. Spätestens dann.

LISA MAUCHER