Streitfall Autopsie

KINDESWOHL Der Senat ist sich weiter uneinig bei der gesetzlichen Obduktionspflicht für Kleinkinder. Eine Entscheidung wurde auf April vertagt

Die virtuelle Autopsie ermöglicht die Analyse von Leichen, ohne sie tatsächlich öffnen zu müssen.

■ Computertomographen und Magnetresonanztomographen ersetzen das Skalpell, indem sie ein digitales Bild des Körperinneren zeigen. Sie führen für den Rechtsmediziner sozusagen virtuelle Schnitte aus. So kann der Leichnam in verschiedene Teilbereiche zerlegt und auf Verletzungen untersucht werden. Diese Mehrschicht-Tomographie kann die Knochenstruktur exakt abbilden und so versteckte oder alte Verletzungen sichtbar machen.  (kk)

Rot-Grün hat sich nach wie vor nicht über die Einführung einer Obduktionspflicht für ungeklärte Todesfälle bei Kleinkindern einigen können. Die Entscheidung wurde vertagt. Senatssprecher Hermann Kleen sprach gestern von weiterem „Beratungsbedarf“. Der Senat habe den überarbeiteten Gesetzesentwurf von Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD) nicht in der Abwesenheit von Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) und Umweltsenator Reinhard Loske (Grüne) fällen wollen. Das Thema steht im April erneut auf der Agenda.

Rosenkötters Vorstoß war im Senat vor allem bei den Grünen auf Kritik gestoßen. Die haben ethische Bedenken. So sei Loske „irritiert“ gewesen „über das Schnellverfahren“. „Das ist keine Frage, die man mal so nach Tagesordnung entscheiden sollte“, sagte sein Sprecher Michael Ortmanns. Loske habe sich inzwischen mit Rosenkötter zusammengesetzt und den Entwurf überarbeitet. Demnach bleibt die Obduktion der Kleinkinder zwar Pflicht. Dennoch wurde die Regelung aufgeweicht. Die betroffenen Eltern können innerhalb von 24 Stunden nach Information über die geplante Obduktion Widerspruch dagegen einlegen. Dann muss ein Richter entscheiden.

Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) stellte unterdessen eine weitere Variante zur Diskussion. Er habe dem Senat den Vorschlag unterbreitet statt der sofortigen Obduktion zunächst eine virtuelle Autopsie durchzuführen, um dann mit Hilfe der Befunde über das weitere Vorgehen entscheiden zu können, so Sprecher Daniel Heinke. Würde so eine natürliche Todesursache festgestellt – etwa ein zuvor nicht erkannter Herzfehler – mache das die Obduktion überflüssig. In der Diskussion habe sich außerdem herausgestellt, dass auch eine „Mischform“ möglich wäre: Denkbar wäre auch, „dass man sofort obduziert und immer wenn die Eltern das nicht wünschen erst eine virtuelle Autopsie macht“, sagte Heinke. Für das Sozialressort ist eine allein virtuelle Autopsie „nicht die grundsätzliche Antwort“, so Sprecher Peter Lohmann. Manche Todesursachen könne man nur durch eine Obduktion herausfinden, beispielsweise wenn ein Kind mit einem weichen Kissen erstickt würde.

Sollten sich die Senatoren bis zur kommenden Sitzung am 13. April auf eine Kompromissvorlage einigen, könnte sich bereits eine Woche später die Bürgerschaft damit befassen. Bremen wäre bei Beschluss das erste Bundesland das eine Obduktion von Kleinkindern gesetzlich vorschreibt. KRISTIN KIELON