Verdacht auf Billionen-Betrug der Banken

SPEKULANTEN Neuer Skandal an der Wall Street und in London vermutet: Banken sollen Leitindex ISDAfix frisiert haben

„An vielen Märkten wurde und wird von Banken manipuliert“

FOLKER HELLMEYER, CHEFANALYST DER BREMER LANDESBANK

VON HERMANNUS PFEIFFER

HAMBURG | In der Finanzbranche droht die nächste Betrugsblase zu platzen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg hat die US-Finanzaufsicht CFTC Beweise gefunden, dass Geldhäuser in New York und London den weltweit marktbestimmenden Referenzzins für Finanzprodukte gefälscht haben – auf Kosten von Unternehmen und Pensionären auch in Deutschland. Ermittelt wird ebenfalls gegen die Deutsche Bank. Der Verdacht sei nur die Spitze des Eisberges, warnen Experten.

Aus aufgezeichneten Telefongesprächen und E-Mails soll hervorgehen, dass Banken ihre Broker anwiesen, durch Käufe und Verkäufe von Swaps den Leitindex ISDAfix auf ein vorher bestimmtes Niveau zu bringen. Die US-Aufsicht für Termingeschäfte (CFTC) soll seit Mai Händler mehrerer Banken, darunter Barclays, Citigroup und die Deutsche Bank, befragt haben, berichtet Bloomberg. Pikant: Die Manipulationen sollen neben Unternehmen auch Pensionsfonds geschädigt haben, die sich am Index orientieren. Ein mögliches Opfer ist auch der Pensionsfonds Pimco der Allianz-Versicherung. Die CFTC hat bis Redaktionsschluss ihre Nachforschungen nicht bestätigt.

Es geht um einen Billionenmarkt: Zinssätze, Währungskurse oder Rohstoffpreise – Veränderungen im Promillebereich lassen aufgrund der riesigen Zahl von Kontrakten, die täglich weltweit abgeschlossen werden, die Kassen der Banken klingeln. So auch beim Handel mit Swaps, hochkomplexen Tauschgeschäften. Solche undurchsichtigen Märkte sind besonders lukrativ – und anfällig für Manipulationen. Die Preise orientieren sich nämlich an einem Leitindex. Dafür melden Banken, Broker und Rohstoffhändler ihre Konditionen für Öl, Interbankenkredite oder eben Swaps an Agenturen, die daraus einen Preisindex ermitteln. Melden nun wichtige Akteure beispielsweise einen höheren als den tatsächlichen Kurs, können Verkäufer einen höheren Preis verlangen. Ein satter Extragewinn winkt.

Nach den beiden Megaskandalen um Manipulationen bei den Interbankenzinsen Libor und Euribor zeichnet sich nun ein weiterer Prozess ab. Die Libor-Ermittlungen haben bislang zu Strafen im Umfang von mehr als 2 Milliarden Dollar gegen Barclays, UBS und Royal Bank of Scotland geführt. Preis- und Marktmanipulationen durch Banken wurden kürzlich auch auf dem US-Strommarkt nachgewiesen. Banken sollen auch den internationalen Aluminiummarkt zu ihren Gunsten manipuliert haben und an jeder Cola-Dose verdienen.

Doch selbst solche Exzesse halten Experten nur für die Spitze des Eisbergs. „Wir sehen, dass an vielen Märkten manipuliert wurde und weiter wird“, klagt der Kenner des angelsächsischen Finanzgeschehens, Folker Hellmeyer, gegenüber der taz. Das Problem stellt „die Oligopolisierung des Bankenmarkts dar“, so der Chefanalyst der Bremer Landesbank. Hellmeyer hält Manipulationen beispielsweise auch bei Gold und Silber für „nachweisbar“. Er sieht die EU in der Pflicht, die „Machtachse New York/London zu zerschlagen“.